Geöanken zu J. S. Bache Umarbeitungen eigener Werhe Von Alfred Dürr (Göttingen) Mit den Umarbeitungen Bachs haben sich schon zahlreiche Forscher be schäftigt 1 , besonders sein Parodieverfahren hat schon mehrere treffende Darstellungen gefunden, und seine instrumentalen Umarbeitungen sind neu erdings Gegenstand ausführlicher Untersuchung geworden 2 ; doch ist die Frage, wie es überhaupt zu derart zahlreichen Umarbeitungen im Schaffen Bachs kommen konnte und wie das Verhältnis der „Gültigkeit“ der ein zelnen Fassungen zueinander zu bewerten ist, bisher meist nur nach Gut dünken beantwortet worden. Das 19. Jahrhundert ließ vorzugsweise ein ästhetisches Ungenügen als Anlaß für Bachs Umarbeitungen gelten und stellte daher jeweils die Frage nach der letztwilligen Fassung als der vermeintlich allein gültigen 3 4 ; in andern Fällen wird dagegen wieder dem „Original“, d.h. der Urfassung der Vorzug gegeben, während der Umar beitung der Charakter des Sekundären, Verwässerten, Unoriginellen bei gelegt wird 1 . Demgegenüber hat die neuere Forschung die Rücksichtnahme auf die spezielle Situation als wichtiges zusätzliches Moment erkannt, das es uns verbietet, einer der Fassungen allzu ausschließlich Gültigkeits charakter zuzusprechen. So hat z.B. Arnold Schering dargelegt, daß die Unmöglichkeit, eine Glückwunsch- oder Trauermusik in der ursprüng lichen Form wiederaufzuführen, den Anlaß zu zahlreichen Parodien ge liefert hat (BJ 1939, S. 6f.); doch bietet auch dieser Sachverhalt noch keine hinreichende Erklärung für die Umarbeitung verschiedener geistlicher Werke, besonders der zahlreichen Kantatensätze zu Messen. Denn die Kan taten, denen diese Sätze entstammen, scheinen uns weder in ästhetischer Hinsicht unzulänglich, noch stand ihrer turnusmäßigen Wiederaufführung im Rahmen des Kirchenjahres irgend etwas im Wege. Wie der künstlerische Schaffensakt überhaupt, so läßt sich auch der Vorgang einer künstlerischen Umarbeitung nicht mit Hilfe eines starren Regel systems erläutern. Wenn wir trotzdem versuchen wollen, die dabei auf tauchenden Probleme einmal etwas differenzierter zu betrachten, dann in der Hoffnung, daß auch annähernde Antworten in eine bestimmte Richtung weisen und Wahrscheinlichkeitsschlüsse zulassen. 1 Zum Parodieverfahren siehe besonders A. Schering und F. Smend in ihren ein schlägigen Publikationen; eine Zusammenstellung der wichtigsten Literatur über Bachs instrumentale Bearbeitungen findet man im Literaturverzeichnis der unter Anm. 2 ge nannten Dissertation. 2 Ulrich Siegele, Kompositionsrveise und Bearbeitungstechnik in der Instrumentalmusik Johann Sebastian Bachs. Diss. Tübingen 1956 (Maschinenschrift). Dem Autor der genannten Arbeit verdanke ich wertvolle Hinweise. 3 Zum Beispiel W. Rust im Revisionsbericht zum Magnificat, BG in, S. XIX. 4 So z. B. A. Dörffel durch ausschließliche Mitteilung der Erstfassung von BWV 118, BG 24, S. 183 ff.