Das Schiff Beiblatt der Typographifchen Mitteilungen 1 Fünftes Heft / Mai 1928 Schriftleitung: Ernft Preczang, Berlin SW6l, Dreibundilraße 9 Von Zeitungen undjournaliften Der Setzerkaften und die Druckmafchine find mit dem Beruf des Journaliften aufs engfte ver bunden. Ohne fie wären die geiflvollfien Einfälle und die gefchliffenften Pointen nicht an den Mann oder doch nicht an die Maffe zu bringen. Der Buchdrucker war zuvor, der moderne Jour nalismus konnte lieh erft in feinem Schatten und in dem Maße entwickeln, als die Ausgeftaltung der Buchdruckerei ihm den Weg ebnete. Aber dann hat er felbft die Führung übernom men und durch feine eigne rafende Entwicklung auch der Druckerei den Antrieb zu immer wei terem Ausbau gegeben. Die Erforderniffe des Tages find ftetig neu; was geifern als höchfte Errungenfchaft galt, wird morgen fchon zum alten Eifen geworfen. Der Journalismus dient dem Tage. Er darf lieh nimmer erfchöpfen und leeren. Er muß Geh allen Strömungen des öffent lichen Lebens anpaffen und gleichzeitig ihnen Richtung geben. Er darf nicht moralifieren und rückfchauen. Er ift berufen und verurteilt, in lieh felblt ein Spiegelbild des ungeheuer fchnell rotierenden Zeitalters der lndulfrie zu fein. Er darf keine Ruhe haben, denn fie würde ihm den Boden unter feinen Füßen entziehen. Der Jour nalismus als Beruf und öffentliche Erfcheinung ilf gefpanntefte Nervenkraft und höchfies Pflicht bewußtfein in einem verschmolzen. Er fordert von feinen Dienern alles an Hingabe und bietet nichts als innere Befriedigung. Fragt man, was der »Journalismus« fei, fo gibt es taufend und keine Antworten. Ich felblt bin vor mehr als drei Jahrzehnten, damals eben achtzehnjährig, vom Setzerkaften zum Journa lismus hinübergewechfelt. Ich wurde Lokalbe richterftatter an einem kleinen Lokalblatt. Wenn mir aber damals jemand gefagt hätte, ich fei nun ein Journalift, fo hätte ich ihn vermutlich fehr verwundert angefehen. Und doch hätte er recht gehabt: auch der kleinfte Lokalreporter ift ein Glied in dem großen Räderwerk, das heute unter dem Sammelnamen des Journalismus be griffen wird. Vom Lokalreporter, der über »ge fallene Drofchkengäule« ebenso fchnell berich ten muß wie über ein Liebesdrama, über einen Ladenbrand mit gleicher Gewiffenhaftigkeit wie über eine Schülertragödie, von diefemLokal- reporter führt der Weg zu der großen polit ifchen, fozialen und kulturellen Berichterftattung, die heute das Wefen jeder modernen Zeitung aus macht. — Nur wenige ftolze Namen pflegen als Sterne am Journaliftenhimmel zu glänzen. Aber auch fie erhalten ihren Glanz erft, w r ie fonft im Leben, von der füllen anonymen Arbeit der vielen, die für jede Zeitungsnummer mit Bienen fleiß den Stoff zufammentragen, ihn flehten, gliedern, »aufmachen« und ihn dem Lefer fo griffbereit geftalten, daß auch der glänzendfte Leitartikel des Stars ihm die Freude an dem Werk nicht mehr vergällen kann. Taufende von Einzelperfonen find als Journa liften allein in Deutfchland tätig. Ihr Einfluß auf das Volksleben ift ungeheuer und kaum auszu- meffen. Die Ausbreitung der Tageszeitungen nimmt noch dauernd zu. Die Zeit, in der der »Kalendermann«, etwa der »Hinkende Bote«, in Dörfern und Kleinflädten allein und nachträglich von öffentlichem Gefchehen unterrichtete, ift fo fchnell ins Meer des Vergeffens verfunken, daß zwifchen ihr und heute Jahrhunderte zu liegen fcheinen. Auch entlegenfte Bezirke haben heute ihr tägliches oder doch ihr Wochenblatt. Matern- korrefpondenzen ermöglichen auch dem Win keldrucker, mitNeueftem aufzuwarten, wenn er feinen engeren Landsleuten ein Blättchen bietet. Es gibt kaum noch irgendeine Familie imLande, die nicht irgendeine Zeitung, und fei fie noch fo befcheiden, als täglichen Lefeftoff bezieht.