6 Peter Opitz Luther und Zwingli: Reformation in der Schweiz «... denn ich habe die Lehre Christi nicht von Luther gelernt, sondern aus dem Wort Gottes selber. Wenn Luther Christus predigt, macht er dasselbe wie ich, obgleich durch ihn - gottlob - unzählbar viel mehr Menschen zu Gott geführt werden als durch mich ... dennoch will ich kei nen anderen Namen tragen als den meines Hauptmanns Christus.« 1 Mit solchen Worten trat Zwingli 1523 in der »Auslegung der Thesen« zur ersten Zürcher Dis putation dem Vorwurf entgegen, zur ketzerischen Bewegung der »Lutheraner« zu gehören. So wohl seine Überzeugung der gemeinsamen Sache und sein Bekenntnis zu ihr kommen hier zum Ausdruck, wie auch seine Anerkennung des Wittenberger Reformators und seiner Wirkung. Ebenso aber das Bewußtem, nicht ein Lutherschüler, sondern zusammen mit Luther ein Schü ler des göttlichen Wortes zu sein. Wie wurde Zwingli zum »Reformator«; und wie führte er seine Reformation in Zürich durch? 2 Zwinglis Werden und Denken Zwingli wurde am 1. Januar 1484 in Wildhaus in der Ostschweiz als Sohn eines Bergbauern ge boren. Sein Vater gehörte allerdings eher zur dortigen ländlichen »Führungsschicht«: Er besaß einen ansehnlichen Landbesitz und als »Landammann« auch einen lokalen politischen Einfluß. Obwohl Untertanengebiet des Klosters St. Gallen, besaß Wildhaus bereits eine Tradition der Selbstverwaltung und enge Beziehungen zu den benachbarten eidgenössischen Orten, was zwei fellos ein entsprechendes Bewußtsein mit sich brachte. Die Selbstverständlichkeit, sich für das öf fentliche Leben zu interessieren und dieses auch mitgestalten zu können, war Zwingli wohl mit in die Wiege gelegt worden. Mit der Absicht, ihn in den kirchlichen Dienst zu stellen, wurde er von seinen Eltern nach dem Besuch der Lateinschule zunächst nach Bern und dann an die Universität in Wien geschickt. Von 1502 bis 1506 schließlich studierte er an der Universität Basel, wo er nach der Magisterprüfung 1506 noch ein Semester Theologie belegte, bis er einem Ruf an eine Pfarrstelle in Glarus in der Inner schweiz folgte, wo er zehn Jahre blieb, um dann von 1516 bis 1518 im Wallfahrtsort Einsiedeln als »Leutpriester« zu wirken. Diese ganze Zeit war geprägt durch die Erfahrung der politisch-wirt schaftlich-kirchlichen Realitäten und durch ein eifriges Selbststudium, das ihn zu einem Anhänger des Erasmus und schließlich zu einer zentralen Figur eines schweizerischen Humanistenkreises machte. Das Studium der Bibel in den Ursprachen und die Lektüre der die Bibel auslegenden Kir chenväter wie Chrysostomus und Augustin und anderer antiker Schriftsteller waren verbunden mit