Erstes Kapitel. Zweck, Form und Bedeutung. Die Reklame der Straße ist nicht nur eine Angelegenheit für Fachleute. Die Reklame der Straße geht alle an. Die Reklame ist ein echtes Kind der Straße. Straßenkinder schreien, toben, brüllen und sind ungebärdig. Man muß sie er ziehen. Wir wollen es versuchen. Es gibt auf Erden keinen noch so vergessenen Winkel von einigen hundert Häusern, der nicht durch Reklame seine Zugehörigkeit zu unserer Zivilisation bekundete. Überall, auch da, wo Architektur und Landschaft bis auf unsere Zeit ein eigentümliches, völkisch einheitliches Gepräge bewahrten, beginnt der internationale Riesenpinsel der Reklame die biss herige Sonderart zu übertünchen, wegzutilgen. In der moder? nen Großstadt bekommen wir zu oft die architektonische Struktur eines Straßenzuges, eines Platzes gar nicht zu sehen; wenn es sich nicht gerade um staatliche Gebäude oder um Villen handelt, sind sämtliche Fassaden mit Reklamen über? malt und verhängt. Ein Chaos von Schriften und Farben stürzt auf das Auge ein. Hier herrscht noch kaum Gesetz und Ord? nung. Es hetzen sich die Willkürlichkeiten. Nicht Hunger und Liebe, die Reklame regiert die Welt. Wer die ungeheure Bedeutung, die die Reklame im Leben ein? nimmt, unterschätzt, nicht erkennt oder nicht genügend er? kennt, ist ein Schildbürger, ein Hinterwäldler, ein Tor. Die Zeit eilt über ihn hinweg, stößt ihn beiseite oder zerstampft ihn mit ihren ehernen Füßen. „Die Straße dient dem Verkehr“, so hieß es in dem be? rühmt gewordenen Erlaß eines Polizeipräsidenten von Berlin. Im großen und ganzen ist dagegen nichts einzuwenden. Die Reklame ist demnach also nicht der Herr der Straße. Die Straße dient nicht der Reklame, sie dient dem Verkehr. Die Reklame ist auch nicht ihrer selbst wegen da, sie ist eine Die?