Fünftes Kapitel. Giebelreklame. Reklame ist Repräsentation. Repräsentation ist Reklame. Von diesem Standpunkt aus wird die Reklame leider viel zu wenig gewertet. Die Reklame darf künftig keine Erdenplage mehr sein, sie soll ein Volksbildungsmittel werden, eine Wohl« tat für Geist und Sinne. Es gibt Leute, die glauben, in der Reklame sei jedes Mittel erlaubt. Wir können diese Auffassung vor allem in der poli« tischen Reklame verfolgen, doch hat sich auch die Geschäfts« reklame von diesem Wahn noch nicht freigemacht. Dieser für unser Straßenbild — aber auch für andere Dinge — so ver« hängnisvolle Irrtum entspringt dem alten, scheinbar unausrott« baren Vorurteil, daß Reklame etwas Schäbiges, Unwürdiges sei und daß, wer sich einmal mit ihr eingelassen, sozusagen Ehre und guten Ruf aufgegeben habe und tun könne, was er wolle. Wir schreiben und reden so viel von Kultur. Meistens wird dabei an etwas gedacht, das außerhalb des alltäglichen Lebens gefunden werden müsse. Es fällt vielen gar nicht ein, jede Tätigkeit, jedes Gebiet, jeden Stand in seine Vorstellung von Kultur einzubeziehen. Ist es wahr, daß es zum Wesen des Deutschen gehört, stillos zu sein? (Nietzsche.) Kultur ist der Stil der Zeit. Eine stillose Zeit ist auch kulturlos. Man könnte einwenden: Wir haben doch einen Stil — und dabei auf das moderne deutsche Kunstgewerbe und die Architektur verweisen. Jedoch dieser Stil vermag in diesen wenigen Äußerungen unserer Zeit seinen Stempel nicht auf« zudrücken. Es genügt nicht, daß einige Villen und ein Dutzend Geschäftshäuser im modernen Stil erbaut sind, um behaupten zu können, diese Zeit habe Stil. Nur die Reklame, insbesondere die Reklame der Straße wäre imstande, dem deutschen Stil eine allgemeine Ver«