Nr. 1V. 13. Jahrgang Beilage zum General-Anzeiger Oktober 1936 Line Rireke, ga»L in Norrettan gestattet Mit dem Namen Meißen verbindet sich über die ganze Welt hin die Vor stellung von Porzellanfiguren wie Liebespaaren, Komödianten, heiter beschwing ten Allegorien oder Tieren sowie von prunkvollen Porzellanservicen und Tafel geräten — alles Dinge, die zur heitersten Seite des Lebens gehören. Welcher Gegensatz zu dem hehren Dom! Die Porzellanplastik aber ist sehr wohl auch religiöser Gestaltung fähig. Alle hervorragenden Künstler der Meißner Manufaktur — Kirchner und Känd ler im 18. Jahrhundert, Langer und Nickel in unserer Zeit — haben Werke aus dem Lebenskreis des Christentums geschaffen. Wenn man durch die Schau halle der Meißner Manufaktur oder durch die Dresdner Porzellansammlung geht, wird man freilich finden, daß diese christlichen Kunstwerke nur einen kleinen Teil aller Schöpfungen in Porzellan ausmachen, weshalb sie vielen unbekannt sind. Aber man wird auch finden, daß sie zu den künstlerisch be deutendsten gehören. Etwas Aehnliches wie bei der Plastik läßt sich auch auf dem Gebiet der Gebrauchsgegenstäude aus Porzellan feststellen. Auch hier finden sich neben den bekannten Speiseservicen, Kaffeegeschirren und Vasen Dinge, die für ernstere Zwecke bestimmt sind. Man hat Glocken aus Meißner Porzellan hergestellt und aus ihnen ganze Glockenspiele zusammengesetzt. In Meißen selbst, im Turm der Frauenkirche, ist eins angebracht. Weitere befinden sich in Dresden im Zwinger, in Bremen in der Böttgerstraße und in Kopenhagen. Aber auch für andere kirchliche Gegenstände und Geräte benutzt man Porzellan: für Weihkessel, Kredenzen und Sprengwassergefäße der katholischen Kirchen, für Kruzifixe, Altarleuchter, Kelche, Beleuchtungskörper, wie sie in allen christlichen Kirchen gebraucht werden. Diese kirchlichen Gegenstände und jene christlichen Plastiken erwecken den Anschein, als wolle das Porzellan über die kokette, närrische oder prunkvolle Welt seiner üblichen Gestaltungen sich zu einer großen und ernsten Kunst er heben, um einen Hauch weuigstens von der Nähe des hehren Domes spüren zu lassen, der über der Stadt des Porzellans aufragt. Aber das Porzellan begnügt 37