Nochmals also: es ging um eine »zweite Reformation«. Nur: sie hatte im Volke keine Basis. Christian I. Vorhaben war kühn: »Kursachsen hat damals möglicherweise am Anfang eines außenpolitischen Aufschwungs gestanden, der das Land zu einer bestimmen den Macht in der europäischen Politik hätte werden lassen. Das Schicksal hat es anders gewollt. Unter den nachfolgenden Kurfürsten verlor das Land mehr und mehr seine im 16. Jahrhundert innegehabte Führungsrolle im deutschen Protestantismus« (K. Blaschke). Als Rivale Brandenburgs, des zweiten großen deutschen Territoriums östlich der Elbe, geriet Kursachsen deutlich ins Hintertreffen. Im Scheitern des Experiments unter Chri stian I. liegen auch Wurzeln dafür, daß Kursachsen im 18. Jahrhundert nicht mehr eine bestimmende Rolle im Kampf um die Vorherrschaft im zerfallenden Reich zu spielen ver mochte. Fünf Jahre: eine historisch kurze Zeit! Aber wir wissen aus der Gegenwart, wieviel Ereignis trächtigkeit schon wenigen Jahren innewohnen kann! Mit einem Kolloquium wollten wir uns diesem Problemgeflecht der Jahre 1586 -1591 in Kursachsen stellen. Verschiedenste Aspekte der Zeit wurden betrachtet: historische, philosophische, theologische, musikali sche, kunstgeschichtliche, ökonomische, architektonische u. a. Autoren, Veranstalter und - so hoffen wir - auch die Leser wissen um das Fragmentarische dieser Ausführun gen. Sie sollen Auftakt und Ansporn für weitere Forschungen sein - Forschungen zur Zeit Christian I. wie Kursachsens überhaupt. Verständlich wohl, daß wir dabei, dem Anliegen unseres Vereins folgend, die sächsische Landeshauptstadt Dresden in den Mittel punkt stellen. Dresden, den 10. Februar 1992 Siegfried Wollgast