63 Walter May Die höfische Architektur in Dresden unter Christian I. Die mit Blickrichtung auf die Plastik getroffene Feststellung, daß Dresden im Gegensatz zu anderen Residenzen des 16. Jahrhunderts keine ausgesprochene Hofkunst hervorge bracht hat, 11 gilt gleichermaßen in Bezug auf die Architektur. Ansätze dazu hatte es mit dem Schloßbau des Kurfürsten Moritz gegeben, aber sein frühzeitiger Tod und die über dreißigjährige Regierung seines Bruders August, dem der Sinn für eine über den unbe dingt notwendigen Aufwand hinausgehende künstlerische Repräsentation völlig fehlte, hat ten sie zunichte gemacht. Unter Augusts Sohn Christian bestanden noch einmal Voraus setzungen für das Aufblühen einer Hofkunst, doch der anspruchsvoll eingeleitete Beginn gelangte infolge der kurzen Regierungszeit Christians und der darauf folgenden sparsa men, hinsichtlich der von ihm geplanten Vorhaben sogar restriktiven Verwaltung des Kuradministrators Friedrich Wilhelm I. von Sachsen-Weimar nicht zur Entfaltung. Immer hin brachte er der höfischen Architektur Dresdens, nach dem Schloßbau der Jahrhundert mitte, einen zweiten künstlerischen Höhepunkt. Die baulichen Aktivitäten Christians waren ausgerichtet auf die praktischen und ideellen Bedürfnisse seiner Hofhaltung, auf die Verherrlichung seines Hauses und seiner fürstli chen Person, auf den Ausbau und die Verstärkung der Festung Dresden und auf die städ tebauliche Ausgestaltung der Residenz. Nach seinem Regierungsantritt im Februar 1586 ging er sofort an die Erweiterung des Schlosses. Schon im April wurde den umliegenden Ämtern und Städten befohlen, Fröhner, Maurer und Steinmetzen zum Bau des neuen Stallgebäudes zu stellen, 21 dessen Planung zu diesem Zeitpunkt demnach bereits Vorgele gen haben muß. Am 6. Juni erfolgte die Grundsteinlegung,” 1588 war der Bau aufge führt, dem sich bis 1591 die Anlage des Stallhofes anschloß. 1588 vervollständigte Chri stian die bauliche Ausstattung der Festung, indem er hinter dem Elbwall den Klepperstall und das Provianthaus errichten ließ, 41 und 1589 wurden gleich mehrere große Baumaß nahmen in Angriff genommen: die seit dem Sommer 1588 vorbereitete Ausgestaltung der Freiberger Begräbniskapelle zu einem Monument für die protestantischen Albertiner, der neue Torbau des Residenzschlosses, der 1590/91 im Zusammenhang mit der Anlage des Kleinen Schloßhofes ausgeführt wurde, und die den Stallhof begrenzende Verbindungsga lerie zwischen dem Georgenbau des Schlosses und dem neuen Stallgebäude. Dazu kam eine Verstärkung der Festungswerke. Im August 1589 wurde an der Nordostseite der Festung der Grundstein zur Neuen Bastei gelegt, 51 die von einem Belvedere bekrönt wer-