21 fest stand, daß nunmehr das Volk der Eigentümer und der künftige Adressat aller Kunst sein soll. Gleichzeitig waren auch die bei jedem Kunstwerk zu beachtenden Begriffe "Inhalt" und "Form" und ihr Verhältnis zueinander bewußt gemacht worden. Im Herbst des gleichen Jahres fand in Dresden die "Allgemeine Deutsche Kunstausstellung" statt. An alle 71.000 Besucher waren Fragezettel ausge— geben worden. Aus dem Rückfluß ergab sich, daß gut 65 % die Ausstellung wegen ihrer expressionistischen und abstrakten Werke ablehnten. Diese ab gelehnte Kunst war aber die gleiche, die die Nazis als "entartet" verfolgt hatten, und deren Schöpfer oft progressive, selbst kommunistische Künstler waren. Es wäre irrig, in dieser Ablehnung nur eine Folge nazistischer Kunst politik zu sehen. Auch vorher wurden die "Modernisten" vom weitaus größten Teil der Bevölkerung nicht akzeptiert, was u. a. eine Folge der bürgerli chen Bildungspolitik war. Die Nazis hatten diese Einstellung, die teilweise identisch mit der Zustimmung zu jeder leicht eingängigen bis hin zur kit schigen Kunst war, lediglich für ihre Zwecke genutzt. Denn als "entartet" galt ihnen nicht nur ein unangenehmer Inhalt, sondern jegliche Form moder ner Gestaltung. Die seit 1945/46 richtige Forderung, durch die Kunst möglichst breite Kreise zu erreichen und diesen mit den "Aufgaben des Tages" auch Hoffnung und Mut zu vermitteln, geriet mit der Vorstellung vieler Künstler von einer "freien" Kunst in Widerspruch. Das hatte mitunter schmerzliche Konflikte zur Folge. Die Auseinandersetzung zwischen den Malern Carl Hofer und Oscar Nerlinger^, d. h. zwischen "rein humanistischer" und "sozialistisch-humanistischer" Auffassung von Kunst spiegelt das Denken vieler Künstler, Kunstwissenschaft ler und Kunstkritiker wider. Gerade letztere, die als Vermittler hätten wirken können, waren zumeist selbst im Umlernen begriffen. Reines Fachwis sen reichte nicht mehr aus; es verlangte die marxistisch-leninistische Fundamentierung. Eine dazu Deitragende Fachliteratur begann aber erst Mitte der fünfziger Jahre zu erscheinen. Zunächst konnten die Presseartikel von Alexander Dymschitz^ und Orlow 6 zu einer ersten Klärung der Realismus—Problematik dienen. Sie regten zwei fellos das Nachdenken an, führten aber u. a. durch eilfertige Auslegungen und Verallgemeinerungen zu einer Kunstbeurteilung, die sich allzu sehr auf Schlagworte stützte. Das 5. Plenum des ZK der SED 7 stellte die Aufga ben eindeutiger: Unsere Kunst solle u. a. beitragen, auf das Bewußtsein der Massen einzuwirken, Sozialistische Persönlichkeiten zu entwickeln und dafür Vorbilder schaffen; sie solle aber auch das damals dringend Notwen dige tun, indem sie eine optimistische Grundhaltung zeige. Gerade diese For derung jedoch wurde oft gründlich mißverstanden und oberflächlich ausge— legt, was nicht selten zur Schönfärberei führte und abermals ungewollte Reaktionen aaslöste. \