58 Kurt W. Leucht EIN DISKUSSIONSBEITRAG Die Wertung der Kunst- und Kulturentwicklung und insbesondere der städte baulichen und architektonischen Leistungen beim Aufbau des Stadtzentrums von Dresden in den 50er Jahren können nicht losgelöst und isoliert von der Entwicklung der Jahre nach 1945 betrachtet werden. Ich sehe es als eine politisch-kulturelle Verpflichtung an, als Zeuge dieser Entwicklungsjahre einiges dazu auszuführen. Ehe es zur Grundstein legung im Sommer 1953 an der Westseite des Altmarktes und damit zum Be sinn des ersten großen Bauabschnittes des Stadtzentrums kam, waren ent- jcheidende Klärungen herbeizuführen. Es mußten nicht nur 15 km 2 der In- lenstadt mit 18 Millionen m 3 Trüramermassen beräumt werden, sondern auch politisch-ideologische Klarheit über die künftige Struktur der Stadt mit ihrem wertvollen, zwar vollständig zerstörten kulturellen Erbe der Stadt baukunst geschaffen werden. Hierzu gab es keine einheitliche Meinung. Als ich im Spätsommer 1945 als junger Stadtplaner von den verantwortlichen Genossen Hermann Matern, Max Opitz und Walter Weidauer dem damaligen Stadtbaurat Dr. Conert als einziger Genosse zugeordnet wurde, war mir noch nicht voll bewußt, welche hohe Aufgabe mir die Partei damit über trug. Von der ersten Stunde und dem ersten Aufbaugedanken unserer Stadt an wurden wir im Herbst 1945 durch die Kulturoffiziere der SMAD mit den beschlossenen Thesen der KPdSU über den Wiederaufbau der kriegszerstörten Städte in der Sowjetunion bekannt gemacht. Der sowjetische Architekt und Akademiemitglied A. W. Schtschussew, den ich später persönlich kennenlernte, formulierte in diesen Thesen u. a.: "Bei der Stadtplanung ist die Forde rung zu berücksichtigen, besonders die geschichtlich begründeten Charakter züge des Städtebaues und der Architektur der jeweiligen Stadt zu bewah ren." Es heißt darin weiter "die prachtvollen Schöpfungen der vergange nen Jahrhunderte müssen studiert und die besten Traditionen weiterent- A wickelt werden." Rückblickend wird heute jeder sagen, das war eine gute Anleitung. Aber viele unserer sogenannten Fachleute waren nicht dieser Meinung. Ich hatte im Rahmen des "ersten Aufbauplanes" des Genossen Walter Weidauer im Feburar 1946 eine erste Skizze für den Wiederaufbau des Stadtzentrums im eben zitierten Sinne ausgearbeitet. (Diese Skizze ist heute im Archiv der Stadt Dresden bewahrt.) Im Laufe der Zeit nach 1946 bis hinein in die 50er Jahre wurden diese unsere Gedanken nicht immer anerkannt. Z. B. verlangte der damalige Direktor der Staßenbahn und Verkehrsexperte der Stadt Dresden, Dr. Bockemühl, ein großes Achsenkreuz auf dem Altmarkt von Nord nach Süd und von Ost nach West im Sinne einer Autobahnkreuzung. Prof. Mart Stam, zeitweilig Direktor an der Kunsthochschule, stellte einen