3 Heinz Quinger MALEREI UND GRAPHIK DER FÜNFZIGER JAHRE IN DRESDEN Die fünfziger Jahre waren von entscheidenden ökonomischen und politischen Prozessen bestimmt, die die Grundlagen für die weitere Entwicklung der DDR legten und Voraussetzungen für den Aufbau des Sozialismus schufen. Es galt, den jungen Staat, den ersten Staat der Arbeiter und Bauern auf deutschem Bo den, zu stärken und zu festigen. Die Konsolidierung der Staatsmacht führte in Abwehr konterrevolutionärer Versuche zu einer kämpferischen Situation, in deren Verlauf es auch zu einer einseitigen Überbewertung und Verabsolutierung eines Teils unserer realistischen Traditionen kam, diese wurden verengt nur in der Kunst der Renaissance und besonders im sensualistischen Realismus des 19. Jahrhunderts gesehen. Andere wertvolle Traditionslinien, darunter selbst der Verismus und große Teile der proletarisch-revolutionären Kunst, wurden wenig beachtet; die die Kunst bereichernden Beiträge der spätbürgerlichen Kunst weitgehend negiert. Trotzdem waren die fünziger Jahre von einer gewaltigen progressiven Umwand lung des gesamten Kulturbereiches getragen. Dieser positive Prozeß zeigte sich besonders in der Erschließung der Kunst für breiteste Kreise der Bevöl kerung. Die Arbeiterklasse rezipierte nicht nur gesteigert Kunst, sie wirkte zunehmend auch als Auftraggeber. Konkrete Fakten dokumentierten unsere Kul turrevolution. Dazu gehören u. a.: die Gründungen der Akademie der Künste, des Verbandes bildender Künstler Deutschlands (VbKD), der Bauakademie, des Verlages der Kunst in Dresden, die Bildung des Staatssekretariats für Hoch schulwesen, die Gründung der ABF für bildende Kunst in Dresden, die Bildung des Ministeriums für Kultur, die Entwicklung der Musikakademie zur Hochschule für Musik in Dresden sowie die Durchführung vieler Ausstellungen und einer 4 großen Zahl von Künstlerkongressen. Dem gewaltigen Umbruch im kulturellen Bereich entsprachen auch die Prozesse im Kunstgeschehen. An die Kunst wurden Forderungen herangetragen, die von der Erwartung bestimmt waren, daß auch sie unmittelbar zur Festigung der so zialistischen Gesellschaft beizutragen hat und daß sie von jedem dekadenten Experiment frei zu halten sei. Die Freiheit, die die Arbeiterklasse als eine von allen Klassenvorurteilen freie Gemeinschaft gegenüber dem gesamten kultu rellen Erbe der Menschheit besitzen kann, wurde in den 50er Jahren noch nicht voll wirksam. Die großen Kunstausstellungen dieser Jahre werden heute rückblickend über wiegend mit Vorbehalt betrachtet. Die Kunst aus der zweiten Hälfte der 40er Jahre löste dagegen kaum kontroverse Auseinandersetzungen aus, sie wird viel- 2 mehr als "eine Art neuer Klassik" aus den Gründerjahren unserer Gesellschaft für unsere sozialistische Kunstentwicklung gewertet. Die heftigsten Gegen sätze im späteren Urteil entbrannten ab dem Ende der 60er Jahre in den