5220 Die junge Frau hob ihre schönen Augen, die von Tränen glänzten: Was werden Sie jetzt tun?“ fragte sie. Der Untersuchungsrichter sah sie einen Augenblick an, ohne zu antworten. Er begriff, daß er das Schicksal zweier Menschen in den Händen hielt. Was sollte er tun? Raymond der Justiz übergeben? Das war seine Pflicht als Richter. Aber was würde aus Raymond? Man würde ihn freisprechen, aber womöglich ins Irrenhaus stecken, das schrecklicher als Gefängnis oder Zuchthaus für ihn wäre. Also gab es nur einen Ausweg. Schweigen. Das schreckliche Geheimnis vergessen das ihm der Zufall offenbart hatte. „Beruhigen Sie sich“, sagte er ernst. „Niemand wird etwas davon erfahren. Ver brechen, die ein blindes Schicksal begeht, unterstehen nicht den Gesetzen der Men schen. Ihre Liebe wird den Bann lösen, der jetzt auf Raymond lastet und es wird für sie beide wieder ein Glück geben.“ Mit einer so raschen Bewegung, daß er sie nicht verhindern konnte, hatte Germaine seine Hand ergriffen und an ihre Lippen geführt. Er entzog sich ihr sanft und ging zur Tür. Als er auf der Schwelle stand, wandte er sich noch einmal um. „Tragen Sie die Totenmaske des kleinen Peter auf sein Grab, wenn Sie das nächste Mal mit Raymond auf den Friedhof gehen.“ , Aus demFranzösischen von Alic , Neumann) Siesta Gemälde von Ludovic Allaume