Typographische Mitteilungen

Typographische Mitteilungen Zehntes Hest Oktober 1919 XVI. Jahrgang Wie werden wir den Erfordernissen der Zeit gerecht? eltkrieg, Umsturz und Beginn der Revolution haben neueVerhältnissegeschaffen.OaSZnteresseam Staats ganzen ist vielgestaltig geweckt worden- die Politik ist nicht mehr Beschäftigung einer kleinen, nur wenig Beachtung findenden Zahl. Zeder redet, jeder urteilt, und jeder hat seine eigene Meinung über das, was werden soll. Reden ist not wendig, Dielrederei verwerflich- ein vernünftiges Urteil wird willkommen sein, und eine klare Meinung wird immer auf fruchtbaren Boden fallen. Dauernde Wirkung wird die Rede, das kluge Urteil und die klare Meinung allerdings nur dann haben, wenn alles aus bewußtem Denken hervorgeht und wenn folgerichtige Handlungen entstehen. Letzteres tut uns gerade in jetziger Zeit bitter not. Die Arbeiterschaft hat alle Ursache, durch bewußtes Denken und logisches Handeln ihren Machtbereich auszudehnen. Dazu bietet die Einrichtung der Betriebsräte eine gute Gelegenheit. Oie Einrichtung der Be triebsräte stellt eine heißumstrittene Forderung der Revolu- tion dar. Oie Arbeitgeber sind selbstverständlich Gegner dieser Einrichtung. Ein erweitertes Mitbesiimmungsrecht wird von Ihnen nie freudig ausgenommen werden. Oie Arbeiterschaft wiederum ist in zwei Richtungen gespalten: die eine verlangt kurzweg Mitbesiimmungsrecht, während die andre entschei dende Mitbestimmung fordert. Das künftige Gesetz dürste der ersteren Richtung entgegenkommen. Oer letzteren Richtung kann die Arbeiterschaft selbst zur Anerkennung verhelfen, wenn sie schon jetzt Maßnahmen zur Aus- und Vorbildung von Personen trifft, die gewillt find, als Betriebsräte zu fungieren. Alle Forderungen und gesetzlichen Festlegungen bleiben in haltlos für die Arbeiterschaft, wenn sie nicht in überzeugend sachlicher Weise genützt werden. Gerade in dieser gärenden Zeit sollte in jeder Arbeiterwohnung mit goldenen Lettern der alteWahrheitssatz: „Wissen istMacht!" angebracht werden. Zeht ist die Arbeiterschaft zum Schaffen und Reugestalten berufen. Ein bedeutender Teil dieser Wertschaffung wird in die Hände der Betriebsräte gelegt. OaS kommende Betriebsrätegeseh sowie die durch tarif liches Gesetz gewährleisteten Rechte für die Betriebsräte weisen diesen eine Fülle von wichtigen, aber auch schwierigen Aufgaben zu. Sollen die Betriebsräte diesen ihren Aufgaben gerecht werden, so ist dazu nicht nur sehr viel Pflichtgefühl und Energie, sondern auch ein weitgehendes Verständnis für alle Fragen notwendig, die in den Kreis der Aufgaben ge hören, welche den Betriebsräten durch das Gesetz und ihre Funktion als Vertrauensmänner der Arbeiter und Angestellten auferlegt sind. Oie Betriebsräte müssen daher eine gesunde und unparteiische Schulung erhalten, damit sie den neuen Leistungen gerecht werden können, denn die Durchführung eines systematischen Unterrichts ist von ebenso großer Wichtig, keit für die Arbeiter selbst wie für die gesamte Industrie. Oie gegebene Organisation dafür, um diese geistigen Mittel für dieArbeiterschast bereitzustellen, wird im allgemeinen dieVolkS- Hochschule sein. Von ihr Ist zu wünschen, daß sie überall Vor- lesungen einrichtet, die die einschlägigen Fragen behandelt. Zm Buchdruckgewerbe wurde bisher schon für die Betriebs räte ersprießliche Vorarbeit geleistet. Oie in der Vorkriegs zeit von unfern Typographischen Vereinigungen veranstal teten Meisierprüfungskurse vermittelten den Teilnehmern fast alle Kenntnisse, die ein Betriebsrat, wenn er es mit seiner Stellung ernst nimmt, beherrschen muß. Diese wiederum durchgeführten Meisterkurse, mit neuzeitlichem Geist belebt, könnten jetzt allerorten im Interesse der Gehilfenschaft flucht- bare Tätigkeit entwickeln. Welche Aufgaben harren nun der Betriebsräte? Zunächst muß jeder Betriebsrat das künftige Betriebsrätegesetz und die dazu erlassenen Verordnungen, aber ebenso auch das Tarifgesetz, die gesetzlichen Bestimmungen über Arbeits- und Koalitionörecht, Arbeiterschutz, Arbeiterverstcherung und Ge werbehygiene kennen. Unerläßlich ist im gleichen Ausmaß die Vertrautheit mit den wichtigsten Bestimmungen des Handels rechts, soweit sie sich auf die Leitung des Betriebes beziehen, vor allem mit den Grundsätzen des Firmenrechts, mit der Verteilung der Befugnisse bei den einzelnen Gesellschafts formen, mit den Rechten des Prokuristen, Direktors, Ge- schästsführers. Außerdem bedarf es des Einblicks in die Zweige der öffentlichen Verwaltung, die im Zusammenhang mit der Betriebsführung und den Betriebszuständen stehen. Dazu gehören zum Beispiel die Bestimmungen über Ge werbeaufsicht, gewerbliches Strafrecht, Gewerbeinspektion. Bei den verwickelten Verhältnissen der heutigen Wirtschaft lassen sich Lage und Zustand eines Betriebes nur dann richtig beurteilen, wenn man wenigstens einen Überblick über das gesamte Wirtschaftsleben, seinen Zusammenhang und seine Organisation besitzt. Eine genaue Kenntnis der Betriebs organisation und der Betriebsführung ist notwendig. OaS wären Wissensgebiete, die den Betriebsräten im allgemeinen gehören. Der Buchdrucker im besonderen muß die heutige Lage des Buchdruckgewerbes und seine Eigenheiten eingehend prüfen. Oie innere Organisation darf ihm nicht unbekannt sein- die kaufmännische und technische Leitung sollte er in ihren Zusammenhängen zu erfassen suchen. Oie Abwicklung der Geschäfte von der Auftragserteilung bis zur Ablieferung der fertigen Arbeit bedürfen einer genauen Kenntnis der Organisation im Kontor, in der Setzerei, im Maschinensaal und in der Buchbinderei. Buchführung und Preisberechnung