12 Günter Jäckel & Dresdner Romantik als Napoleonzeit i. Eine Iiteraturzentristische Betrachtung ließe nur zu leicht vergessen, daß die Zeitgenossen eines Goethe und Hölderlin, Novalis und Kleist auch Custine und Napoleon hießen, Nelson, Kutusow oder Blücher und St. Cyr. Stets wachten die Metaphern der Kunst über unsäglichen Erscheinungen des Schreckens; Kanonendonner mischte sich dissonant in die Visionen einer »edlen Einfalt und stillen Größe«, die »Bekenntnisse einer schönen Seele«. Der Traum vom »ewigen Frieden« hatte wenig Bestand. Zwischen 1756 und 1814 galt auch für Sachsen, was Thomas Hobbes um 1651 formuliert hatte: »Denn Krieg besteht nicht nur während der Schlachten oder Kampfhandlungen, sondern während eines Zeitraumes, in dem der Wille zum Kampf genügend bekannt ist.« 1 ’ Un-Friede ist darum eines der großen Themen dieser Jahre. Caroline Schlegel, die ihre Zeit mit wachen Augen beschrieben hat, sah Anfang 1807 den Untergang der ganzen »Konven tionenwelt mit allen ihren alten Formen«, den Verfall von Sicherheit, diese »abscheuliche Verwirrung aller moralischen Dinge« 2 ’; doch sie benennt zugleich jenen unterschütterlichen Glauben an die Macht der Kunst, der die Intellektuellen jener Jahrzehnte über ihre ästheti schen Fehden, ihre Urteile und Vorurteile hinweg vereinte: »O mein Freund, wiederhole es Dir unaufhörlich, wie kurz das Leben ist, und daß nichts so wahrhaftig existiert als ein Kunst werk - Kritik geht unter, leibliche Geschlechter verlöschen, Systeme wechseln, aber wenn die Welt einmal aufbrennt wie ein Papierschnitzel, so werden die Kunstwerke die letzten leben digen Funken sein, die in das Haus Gottes gehn - dann erst kommt Finsternis.« 3 ’ Die Welt der Goethezeit brannte seit 1792. Caroline hat es erfahren und erlitten. 1809 sollte sie an den Folgen der Kriege sterben. Anfang Oktober 1806 war für Sachsen die Zwischenkriegszeit zu Ende. Immerhin kam Napo leon am 17. Juli 1807 nicht als Eroberer nach Dresden, sondern als Kaiser; der Niederlage folgte eine trügerische Erhöhung zum Königtum. Er war kein Wohltäter für das Land, ob schon im poetischen Mittelmaß der Panegyriker so dargestellt: »Ihm jauchzt ein frohes Volk entgegen,/erfleht vom Himmel Glück und Segen,/es sieht in ihm den Gideon!/Er lebe zu Europens Glücke!/Das Echo hall' erfreut zurücke: Vive! - l’Empereur Napoleon!«. 4 ’ Das fro he Volk und das Land waren für ihn Figuren auf dem Schachbrett seiner Politik. Er nahm 7 035 551 Taler, 7 Groschen, 7 'h Pfennige Kriegskontribution; 23 500 Sachsen mußten 1812 mit nach Rußland ziehen; gegen 3 000 sollten im folgenden Januar zurückkehren. 5 ’