35 Ingo Zimmermann O Napoleon im Erlebnis von E.T. A. Hoffmann Ein Dichter, der die Politik geringschätzt, begegnet der Geschichte. So ließe sich das denk würdige Erlebnis E.T. A. Hoffmanns 1813 in Dresden, bei dem er Napoleons ansichtig wurde, vorab resümieren. »Welcher Künstler«, schreibt Hoffmann in den »Höchst zerstreuten Gedanken« seiner »Fan tasiestücke in Callots Manier«, »hat sich sonst um die politischen Ereignisse des Tages ge kümmert - er lebte nur in seiner Kunst, und nur in ihr schritt er durch das Leben; aber eine verhängnisvolle schwere Zeit hat den Menschen mit eiserner Faust ergriffen, und der Schmerz preßte ihm Laute aus, die ihm sonst fremd waren.« 1 ’ Schon 1809, unter dem 16. Juli, hatte er seinem Tagebuch anvertraut: «... in polidcis sonder bare Neuigkeiten, mit Gewalt werd ich hineingezogen - (wenn ich auch) nichts davon wissen will -« 2) Im Sommer 1813 befindet sich E.T. A. Hoffmann im Zentrum des historischen Geschehens. Als Musikdirektor der Secondaschen Operntruppe war er im Frühjahr nach Dresden gekom men. Im Sommer, in den späten Augusttagen, wird er Zeuge der Schlacht bei Dresden. In seinem Tagebuch-Auszug für Freunde, den er »Drei verhängnisvolle Monate« überschrieb, berichtet E.T. A. Hoffmann vom 26. August: »Die Nachricht kam, daß der Kaiser eintreffen würde; ich eilte daher auf die Terrasse des Brühlschen Gartens an der großen Brücke. Um 11 Uhr kam der Kaiser auf einem kleinen falben Pferde über die Brücke schnell geritten - es war eine dumpfe Stille im Volk -, er warf den Kopf heftig hin und her und hatte ein gewisses Wesen, was ich noch nie an ihm be merkte - er ritt bis vors Schloß, stieg aber nur wenige Sekunden ab und ritt wieder an die Elbbrücke, wo er, umgeben von mehreren Marschällen, stillhielt. Die Adjutanten sprengten ab und zu und holten Orders, die er allemal in kurzen Worten, aber sehr laut erteilte - er nahm sehr häufig Tabak und schaute noch häufiger durch ein kleines Taschenperspektiv die Elbe herab. Die Garden kamen im Doppelschritt über die Brücke und eilten, nachdem sie eine sehr kurze Zeit auf dem Platz vor dem Kaiser gehalten, zu den Toren heraus. Ich mußte fort, weil der Brühlsche Garten besetzt wurde ,..« 3) E.T. A. Hoffmanns Schilderung verrät keine Emotionen des Betrachters beim Anblick des Mannes, der als der Herr der geschichtlichen Stunde - wenngleich diese sich neigt - hier auf dem Schloßplatz von Dresden erscheint, um seinen letzten großen Sieg auf deutschem, auf sächsischem Boden zu erringen. Das Tagebuch über »Drei verhängnisvolle Monate« enthält