Materialien und Überlegungen zu den Bach-Aufführungen August Eberhard Müllers Von Anselm Hartinger (Leipzig/Basel) In einer 1825 veröffentlichten Rückschau auf das vergangene Vierteljahr hundert erschienen Friedrich Rochlitz die Jahre um 1800 als eine Periode der intensiven Bach-Renaissance: So hatte denn das rollende Rad des Geschicks auch die Speiche des ehrwürdigen Vaters, Sebastian Bach, die eine Weile weit unten gewesen, wieder hinauf, ja, wiewohl nur einen kurzen Moment, auf den höchsten Punkt gebracht. Dieser Moment trat um das Jahr 1800 ein. Wie, um ein weniges später, die Meisten von denen, die zur Malerei einigen Emst brachten, das Heil von den ältesten Italienern und Deutschen erwarteten, so damals die Meisten von denen, die ein Gleiches hinsichtlich der Tonkunst thaten. von Denselben; und unter Letztem vorzüglich auch von Sebastian Bach. Der Moment ist vorüber und Vater Sebastian nicht mehr obenauf: aber noch weniger, wie vorher, höchst ungerechter Weise tief unten, sondern vielleicht eben da, wo, für unsere Zeit, sein angemessenster Punkt ist. Diesen ihm, sofern und so lange man’s vermag, zu erhalten, ist wohl der Wunsch eines Jeden ...' Eine überraschende Einschätzung, die wir von heute aus kaum zu teilen ver mögen und die tatsächlich nur als Ergebnis eines Wunschdenkens und einer rückblickenden Hochstilisierung von Rochlitz' eigener Vermittlerrolle an gesehen werden kann - insbesondere was die Wirkung der frühen Bach- Beiträge der AMZ betrifft. Von einer derartig allgemeinen und vor allem prak tisch wirksamen Wiederentdeckung der Bachschen Musik konnte nach 1800 nirgendwo und auch in Leipzig nicht die Rede sein. Doch haben Rochlitz’ Bemerkungen ganz gewiß mit den bekannten Bach-Aufführungen August Eberhard Müllers und Johann Gottfried Schichts im Gewandhaus, in der Tho maskirche und -schule sowie im Beygangschen Museum zu tun. 1 2 Inwieweit 1 F. Rochlitz. Geschmack an Sebastian Bachs Compositionen, besonders für das Clavier. Brief an einen Freund, in: Für Freunde der Tonkunst, Bd. 2, Leipzig 1825, S. 205-206. Es handelte sich um die überarbeitete und mit einer neuen Einleitung versehene Wiederveröffentlichung eines erstmals in der AMZ, 5. Jg., Nr. 31,27. April 1803, Sp. 509-522 erschienenen Aufsatzes. 2 Die nachweisbaren Aufführungen wurden jüngst noch einmal in übersichtlicher Form zusammengestellt bei K. Lehmann, Die Anfänge einer Bach-Gesamtausgabe 1801-1865. Hildesheim 2004 (LBzBF 6), S. 52.