Theodor Heuss Verehrter lieber Dr. Hanfstaengl! Daß ich mich bei der von Ihren Freunden geplanten »Festgabe« mit einem kunsthistorischen Essay, der Ihrem Range entsprechen müßte, einfinde, werden Sie billigerweise nicht erwarten. Zwar vermute ich, da unsere Geburtsjahre ziemlich benachbart sind und Ihr zuverlässiges Münchnertum Sie gewiß auch, zumal im Beginn des akademischen Studiums, an die heimische Universität führte, daß ich gemeinsamer Lehrer gedenken könnte. Ich habe ja damals, nach 1902, in der etwas vagierenden und unsicheren Art meiner geistigen Eroberungspläne auch einen Ansatz bei den »Kunstwissenschaften« gesucht. Aber neben den Enttäuschungen, die sich dabei ergaben - ich verzichte auf Namen - steht im Bewußtsein der Name von Karl Voll. Ich würde mich freuen, wenn die Nennung dieses Namens auch bei Ihnen ein Gefühl der Dank barkeit wecken könnte. Er hätte vielleicht durch seine solide Art, den Teilnehmer an den Übungen in die klärende Stilkritik einzuführen und durch sein freies, saftiges Menschentum an die Kunstforschung als Metier mich zu binden vermocht, hätte nicht die Brillanz von Lujo Brentano, dem Sozialökonomen, die stärkere Kraft besessen, eine junge Seele zu fesseln. So blieb ich also im exakten Sinn »Außenseiter«, wenn auch eifriger Publizist, der in seinem Grenzgängertum nun ziemlich unbefangen die Linie der »wissenschaftlichen« Zuständigkeit überschritt. Dieses mein Verfahren hat ja dann auch dazu geführt, daß ich Ihnen, dessen Wir ken mir längst bekannt war, persönlich begegnet bin im Rahmen des Verwaltungsrates des »Germanischen Nationalmuseums« zu Nürnberg. Ich entnehme dieser unserer gemeinsamen Bemühung, einem ehrwürdigen Denkmal deut scher Kulturgeschichte nach so bösen Zerstörungen wieder den rechten Rahmen zu schaffen und seine Würde und Aufgabe zu sichern, nicht die Legitimation zu einem Glückwunsch, den XIII