Schon in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts ist in Eisleben der Gedanke an die Errichtung einer „Realschule“ aufgetaucht, einer Anstalt, die die unmittel bar für das geistige Leben der Gegenwart maßgebenden Grundwissenschaften (Mathematik, Naturwissenschaften, lebende Sprachen) in den Vordergrund stellte. Für die Errichtung solcher Schulen hatte die Schrift des Kopenhagener Predigers Resewitz über „Die Erziehung des Bürgers“ (1773) ein vielfaches Echo gefunden. Während man in den großen Städten neben den Gymnasien voll ausgestattete Realschulen errichtete, mußte man sich in den kleineren Orten damit begnügen, sogenannte „Bürgerklassen“ oder Realabteilungen an die Gymnasien anzuglie dern. Der fortschrittliche Gymnasialdirektor Ellendt hatte auch für seine Schule in Eisleben einen solchen Plan entworfen, nämlich neben der Quarta und der Tertia Parallelklassen für nichtstudierende Schüler einzurichten, um den Bedürf nissen des Handels- und Gewerbestandes der Stadt und Umgebung entgegenzu kommen. Das Provinzial-Schulkollegium hatte diesen Plan sehr beifällig aufge nommen. Mit dem Mathematiker Dr. Kroll hatte Ellendt einen ausführlichen Lehrplan ausgearbeitet und ihn auch dem Magistrat vorgelegt in der Erwartung, dieser würde aus städtischen Mitteln eine Beihilfe gewähren. Der Magistrat ver hielt sich jedoch ablehnend, da er der Meinung war, „der ganze Plan diene nur zum Besten der Wohlhabenden“. Ellendts Behauptung, daß bei Ausführung seines Planes „die Beihilfe der Stadt kaum so viele Hunderte betragen dürfte, als die Errichtung einer vollständigen höheren Bürgerschule Tausende kosten würde“, hat die spätere Zeit Recht gegeben. Erst im Jahre 1870, in der Zeit starker nationaler Bewegung, wurde der Ge danke an die Errichtung einer Realschule verwirklicht. Am 13. Oktober 1870 wurde die neue Realanstalt von Dr. J. W. Otto Richter mit 62 Schülern in drei Klassen feierlich eröffnet. Schon nach einem halben Jahr war die Zahl der Schüler auf das Doppelte gestiegen und wuchs in den nächsten Jahren weiter an. Während in der ersten Zeit die Schule als Realschule II. Ordnung galt, wurde sie 1877 als höhere Bürgerschule anerkannt und erreichte ein Jahr später die völlige Gleich stellung mit der Realschule 1. Ordnung bis zur Prima. Die Anstalt hatte sich in ihren Zielen zunächst noch einmal gewandelt, indem sie 1882 mit der Angleichung des Unterrichts in den drei unteren Klassen an das Gymnasium die Bezeichnung „Realprogymnasium“ erhielt. Das stetige Anwachsen der Schülerzahl zu Beginn der 80er Jahre ließ die Frage der Errichtung eines eigenen Schulgebäudes dringlich werden. Die Gelegenheit zum Erwerb bot sich im Lutherjahr 1883, als das Gymnasium sich auf dem Schloßplatz sein Eigenheim errichtet und das alte Schulhaus an der Andreaskirche verlassen hatte. Das alte Gebäude wurde 1884 von der Stadt erworben und in den nächsten Jahren für die Zwecke des Realprogymnasiums umgebaut. Am 5. Januar 1887