360 Elftes Kapitel Ich bin hieher gekommen mit dem Bewußtsein, daß es ein österreichischer Dichter ist, daß es aber auch ein deutscher ist, so daß man sagen kann: „Österreich ist der Bor- name, der Eigenname, deutsch ist der Familienname!" Es geht ein elektrischer Zug, namentlich in allem tieferen Empfindungsleben, von einem deutschen Herzen zum anderen. Diese Herzensbewegung, die sich fort pflanzt hin und her, zwischen Nord und Süd, zu dem im Herzen zu uns geschlossenen Österreich. Die moderne Naturforschung hat einen elektrischen Draht angelegt an das sich bewegende Herz und so in sichtbaren Formen den Rhythmus der Herzbewe gung und ihrer Veränderung veranschaulicht. Solch ein elektrischer Draht ist in der Dichtung gegeben und in allen Lebensäußerungen geht dieser elektrische Zug hin und her. Es können Stürme kommen, welche die elektrische Verbindung stören, die auf gestellten Stangen Niederreißen, die Drähte verwirren, aber eine unzerstörbare elek trische Verbindung geht unter der Erdoberfläche, unter jener Erdschichte, bis zu welcher die trennenden Grenzpfähle eingesetzt werden können, tiefer und tiefer in der sich gleich bleibenden Temperatur der Erdwärme unseres Vaterlandes, es ist die Erdwärme des deutschen Gemütes, die eins ist. Es trifft sich wunderbar, die Repräsentation der deutschen Gemütseinheit, in der Dichtung wie im Leben faßt sie sich füglich in dem Worte zusammen: „Konkordia", und es ist wundersam, daß einer der besten und leuchtendsten Repräsentanten dieser Einheit, dieser Ihr Verein, den Namen Konkordia trägt. Die Konkordia zwischen Deutschland und Österreich soll leben, ihre Repräsentation, die Wiener „Konkordia", soll gedeihen und leben! Gesättigt, nicht übersättigt von den Wiener Huldigungen — Auer bach nannte sich selbst scherzhaft einen „Vielfraß an Lob" — fuhr der Dichter nach Berlin zurück. Der Sonnenglanz seiner Stimmung verfinsterte sich indessen durch den immer ungeschlachter gegen die Juden hervorbrechenden kuror teutonious. Wie Senner und Jäger der Hochalpen aus unscheinbaren Anzeichen Wetterumschlag erkennen, den die Talbewohner nicht für möglich halten, ahnte Auerbach lang vor den Ausbrüchen rohen und gelehrten Rassenhasses, daß neue Formen, neue Motivierungen der uralten Feindseligkeit gegen die Juden sich vorbereiten. Er hatte in den Vierzigerjahren mit Richard Wagner nahe verkehrt. Noch 1860 ließ der Meister dem „verehrten Freund" aus Paris den „Ring des Nibelungen" zugehen. In seinen Aufklärungen zur Kampfschrift „Das Judentum in der Musik" gedachte Wagner Auerbachs 1869 mit den Worten: „Ein offenbar sehr begabter, wirklich talent- und geistvoller Schriftsteller jüdischer Abkunft, welcher in das eigentümlichste deutsche Volksleben wie eingewachsen erscheint und mit dem ich längere Zeit auch über den Punkt des Judentums