40 Holger Starke Aspekte wirtschaftlicher Verbindungen zwischen Sachsen und Böhmen (um 1850 bis 1910) Die Südgrenze des Freistaates Sachsen zur Tschechischen Republik, eine bereits seit Jahrhun derten im wesentlichen feststehende Linie, ist heute eine der längsten der sogenannten »Außen grenzen« der Europäischen Union. Unterschiedliche Zoll-, Steuer- und Preissysteme sowie ein relativ hohes Lohn- und Sozialgefälle machen sie zu einer Problemzone mit wirtschaftlichen, sozialen und Sicherheitsrisiken. Andererseits birgt die Grenzlage für beide Länder auch hervor ragende Entwicklungschancen. Ein Blick auf die Wirtschaftsbeziehungen vergangener Zeiten zeigt, daß dies keineswegs völlig neuartige Erscheinungen sind. Bei allen zeitbedingten Unter schieden sowie den im Ergebnis der politischen Ereignisse des 20. Jahrhunderts eingetretenen Veränderungen sind die Parallelen zur Zeit der Hochindustrialisierung seit etwa 1850 be sonders augenfällig. Im folgenden Beitrag soll der Versuch unternommen werden, markanten Wirtschaftsverbindungen jener Zeit zwischen Sachsen und Böhmen mit dem Schwerpunkt Dresden und Nordböhmen nachzugehen. Begegnungen auf dem Weg zum Industrieland Zwischen den benachbarten Binnenländern Sachsen und Böhmen bestanden traditionell zu allen Zeiten vielfältige kulturelle, politische und wirtschaftliche Kontakte. Besonders intensiv, allein schon aufgrund der territorialen Nähe, naturräumlicher, siedlungs- und stammesge schichtlicher Gemeinsamkeiten 0 , waren die Verbindungen zwischen Sachsen und dem deutsch sprachigen Nordböhmen. Stellvertretend soll hier nur an den Silbertaler erinnert werden, der vom ehemals markmeißnischen, seit 1556 böhmischen St. Joachimsthal seinen Siegeszug antrat und im Namen des Dollars bis heute fortlebt. 2 * Einige Wirtschaftszweige, wie die Her stellung von Musikinstrumenten in Markneukirchen, von Saiten- und Schlaginstrumenten in Klingenthal, von Kunstblumen in Sebnitz oder von Weißblechwaren wurden erst durch böh mische Einwanderer in Sachsen heimisch. Noch im 18. Jahrhundert verbanden vielfältige Be ziehungen die Wirtschaft beider Länder, vor allem im Bergbau, dem Glas-, Holz- und Textil gewerbe. 3 * Der gegenseitige Handel gestaltete sich jedoch seit dieser Zeit tendenziell rückläufig. Dies lag darin begründet, daß die alten sächsischen Exportgebiete Brandenburg und Böhmen eigene Produktionszweige aufgebaut und Handelssperren errichtet hatten. Am Ausgang des