66 Werner Röhr Böhmisch-Sächsischer Herbst 1938 Die Verbrechen sudetendeutscher Faschisten gegen das tschechische Volk begannen nicht erst mit der Annexion der Grenzgebiete der CSR am 1. Oktober 1938. In Erörterungen über die Geschichte der Deutschen in der Tschechoslowakei wird die Rolle der Sudetendeutschen Partei (SdP) unmittelbar vor dem Münchner Diktat selten erwähnt. Im folgenden sei die Aufmerk samkeit auf ihre Aktivitäten im September 1938 gerichtet. 1 * 1. Nach dem »Anschluß« Österreichs: Die Weisung »Grün«: Die am 5. November 1937 von Hitler bekundete Absicht, die Tschechoslowakei militärisch zu zerschlagen, wurde nach dem »Anschluß« Österreichs mit der Weisung »Grün« in eine Auf marsch- und Feldzugsplanung umgesetzt. Hitler unterschrieb sie am 30. Mai 1938. Ihr erster Satz lautete: »Es ist mein unabänderlicher Entschluß, die Tschechoslowakei in absehbarer Zeit durch eine militärische Aktion zu zerschlagen«. 2 * Als frühester Termin wurde am 18. Juni der 1. Oktober 1938 genannt. Ab 28. September hatte die Wehrmacht entsprechend angriffsbereit zu sein. Die Vorbereitung auf diese Aggression umfaßte viele Stränge, die wichtigsten waren: Erstens die militärische Planung und dann die Mobilisierung, zweitens die diplomatische Isolierung der CSR, insbesondere von seinen vertraglichen Verbündeten Frankreich und Sowjetunion sowie von Großbritannien '*, drittens die Ausnutzung und Vervielfachung aller inneren und äußeren Schwierigkeiten der CSR; insbesondere sollten alle Nationalitätenkonflikte so geschürt werden, daß die irredentistischen, separatistischen und Autonomieforderungen den Staatsver band der CSR zerreißen würden. Viertens wurde im Fall »Grün« erstmals eine Passage über den »Propagandakrieg« in eine militärische Weisung eingefügt. Er sollte die »Tschechei durch Drohungen einschüchtern und ihre Widerstandskraft zermürben, andererseits den nationalen Minderheiten Anweisungen zur Unterstützung des Waffenkrieges geben«. 4 * Ausgehend von dieser Passage sind die außenpolitischen Handlungen der Hitlerregierung, die psychologische Kriegführung in Presse und Rundfunk und die Tätigkeit der Sudetendeutschen Partei zwi schen März und Oktober 1938 als Funktion der militärischen Aggressionsplanung zu be greifen. 2. »Anschlußeuphorie« und Karlsbader Programm Die Sudetendeutsche Partei nahm innerhalb des Spektrums der Waffen, die Hitlerdeutschland bei der Vorbereitung der militärischen Zerschlagung der Tschechoslowakei einsetzte, eine spe zifische Stellung ein. Sie war eine legale Partei einer nationalen Minderheit innerhalb der