60 Dieter Hoffmann Beziehungen zwischen Dresden und Böhmen in der Kunst des 20. Jahrhunderts Nach Anton Raphael Mengs, Caspar David Friedrich und Ludwig Richter - was hatten Sach sen und Böhmen in der Kunst einander noch zu bieten? Viel! Zwei Professoren der Dresdner Kunstakademie kamen aus Böhmen, der unauffällige Emanuel Hegenbarth (1868-1923) aus Böhmisch-Kamnitz, und der problematische Richard Müller (1874-1954) aus Tschirnitz. Hegenbarth war hier von 1903 bis zum Tode tätig, Müller von 1900 bis 1935. Zu den weiter wirkenden Verdiensten Emanuel Hegenbarths gehört, und das ist nicht gering, daß er seinen jüngeren Vetter Josef nach Dresden zog, der dann seine endgültige Ausbildung bei dem aus Norddeutschland gebürtigen, in München und Paris geschulten Gotthardt Kuehl erfuhr. Die Verdienste Richard Müllers liegen in dessen Zeichendrill, dem ganze Generationen zu frönen hatten, von George Grosz und Max Ackermann bis zu Curt Querner und Hans Körnig; als »Proto-Neusachlichkeit« hatte seine Mal- und Zeichenkunst mehr oder weniger gehei men Einfuß auf Otto Dix und seine Schule, wenngleich das oft geleugnet wird. Vom Böhmi schen schien Müller bald Abschied genommen zu haben, in der ersten Monographie, 1921, findet sich unter den Abbildungen nur eine Zeichnung vom Inneren der »Geigenmühle (Böhmen)« ohne Datierung, in der zweiten, 1995, nur ein Gemälde »Böhmischer Bettler« aus dem Jahr 1916. Die Dresdner Expressionisten des Freundschaftsbundes »Brücke« genossen zu Hause zwar die »Boheme«, reisten an die Ostsee, aber das nahe Böhmen war für sie ein zu weites »Böhmen am Meer«, wie es einst Shakespeare gedacht hatte. Um so bedeutsamer die Ausnahme: Otto Mueller (1874-1930), Kind einer »böhmischen Magd«, im schlesischen Riesengebirge ge boren, 1911 in Berlin zur »Brücke« gestoßen, die sich schon aufzulösen begann, unternahm ein Jahr später mit Ernst Ludwig Kirchner (1880-1938) eine böhmische Reise, um den Sommer in Unischek bei Prag zu erleben. Nach dem Ersten Weltkrieg war Dresden, wie Diether Schmidt hervorgehoben hat, »Grenz stadt«, und, wie er kritisch hinzufügte, »verlandender See, durch den nichts mehr durchfließt...« Aber noch immer gediehen die Beziehungen zwischen Sachsen und Böhmen innerhalb der Beziehungen zwischen Deutschland und nun der Tschechoslowakischen Republik. Die »Inter nationale Kunstausstellung Dresden 1926« zeigte in der Abteilung »Tschecho-Slowakei« viele Künstler mit deutschem Namen, wie August Brömse. Unter Brömses Bild ist im Katalog als