50 Manfred Jahn Grenzbeziehungen zwischen Sachsen und der Tschechoslowakei in der Zwischenkriegszeit Die unmittelbar am Ende des Ersten Weltkrieges vor allem in Ostmitteleuropa eingetretenen geo- politischen Veränderungen und der Zusammenbruch der Wirtschaftsbeziehungen berührten den neugegründeten Freistaat Sachsen in einem ganz besonderen Maße. Die Ende Oktober 1918 er folgte Konstituierung des Nachbarstaates CSR unterbrach zunächst weitgehend die Konnexionen eines Wirtschaftsgebietes beiderseits des Elbsandstein- und Erzgebirges sowie zwischen Lausitzer Bergland und Isergebirge, die Sachsen und Böhmen eher verbanden als trennten. Der Neuaufbau und die mögliche Wiederbelebung von Grenzbeziehungen war nach Kriegsende entscheidend davon abhängig, inwieweit Deutschland und die Tschechoslowakei einen funktionierenden Kon sens für gutnachbarliche Gesamtbeziehungen finden konnten. Beide Staaten gehörten verschie denen, sich vorerst unversöhnlich gegenüberstehenden politischen Gruppierungen an. Während die CSR zu den die Friedensbedingungen diktierenden Siegerstaaten zählte, stand Deutschland im Lager der Besiegten. Dieser Ausgangssituation mußte Sachsen als Bundesland des Deutschen Reiches Rechnung tra gen, und die sächsische Landespolitik war ganz den Bestimmungen des auf der Pariser Friedens konferenz abgeschlossenen Vertrages von Versailles (28.06.1919) unterworfen. Die Fierausbil dung von gegenseitigen Beziehungen in der Grenzregion blieb nicht unberührt von der sensiblen Problematik der 2,2 Millionen zählenden deutschen Bevölkerung im böhmischen Grenzgebiet. Die kurzzeitige Existenz Deutschböhmens Ende 1918 als politisch vom tschechoslowakischen Staat losgelöste Provinz, deren Regierung mit Sitz in Reichenberg den Anschluß an die Republik Deutsch-Österreich forderte und vergeblich um Unterstützung bei der sächsischen Landesregie rung nachgesucht hatte 1 *, und ebenso die sorbische Frage führten zunächst zu vorsichtigen Son dierungen einer Aufnahme von Beziehungen. Der im November 1918 ins Leben gerufene Wendi sche Nationalausschuß mit seinem führenden Vertreter Arnost Bart verlangte nach anfänglichen Forderungen einer Angliederung an die Tschechoslowakei dann im Jahre 1919 die Gründung eines lausitzisch-sorbischen Freistaates mit nationaler Doppelverwaltung und fand in der tsche choslowakischen Regierung einen aktiven Befürworter seiner Autonomiebestrebungen. Reichs deutsche und insbesondere sächsische Regierungsstellen sahen aber weniger in den Autonomie wünschen der Sorben, die man innenpolitisch zu kanalisieren gedachte, sondern in dem befürchte ten Expansionsdrang des tschechoslowakischen Staates eine politische Gefahr. 2 * Darum bemühte sich die sächsische Regierung um eine umgehende Kontaktaufnahme zum Nachbarstaat, um der