SCHLOSS PILLNITZ ie Flußnatur ist hier in heiterer Stimmung, sie ist es hier immer. Wellig bewegte Hügel begleiten das weite Tal. Sie bilden einen Schutzwall gegen die Nordwinde, so daß die Sonnenwärme auf die Pillnitzer Fluren wie in eine geschützte Wiege fällt. In dieser alten Kulturlandschaft liegen moderne Institute, Gewächshäuser und Stallungen von land- und gartenwirtschaft lichen Schulen und Forschungsstätten. Saftgrüne Wiesen, über die der Rauch unseres Elbdampfers dahintreibt, dehnen sich zu beiden Seiten des Stromes. Kurzum: Die Natur führt mit ihren Elementen einen so beschwingten Reigen vor den Sinnen der Vorüberfahrenden auf, daß man recht darauf vorbereitet ist, an diesem Uferabschnitt einem solch freundlichen Bauwerk wie dem Pillnitzer Lustschloß zu begegnen. Bereits ein Stück voraus, von der Strommitte her, sehen wir es in der gelben Helligkeit des Sonnen scheins liegen, langgestreckt und unmittelbar neben der gleißenden Wasserfläche. Wer so die Elb front des Schlosses zum ersten Male vom Wasser her aufleuchten sah, unter alten Bäumen vor einem dunkel aufsteigenden Hang, der mag diesen Anblick den stärksten Erinnerungen seiner Flußreisen zurechnen. Als sei hier alles auf eine harmonische Beziehung zwischen Bauwerk und Natur hin kom poniert, macht es den Eindruck, und anscheinend war es dem Bauherrn, als er sich dieses schöne Fleckchen Erde zum Standort seines Schlosses erwählte, gerade auf diesen besonderen Reiz angekom men, der in den landschaftlichen Voraussetzungen für ein Bauwerk liegt. Doch ist das nicht ganz richtig. Unsere Augen sehen die Architektur anders, als sie damals betrachtet wurde, und was uns heute an ihr oft selbstverständlich erscheinen mag, gibt, wenn man es aus seiner Zeit heraus zu begreifen sucht, manches Rätsel auf. Uns ist es zum Bedürfnis geworden, dem Zu sammenklang von Bauwerk und Natur nachzuspüren, Schloß Pillnitz nicht herausgelöst zu be trachten aus seiner Kulturlandschaft und dem ganzen spielerischen Rhythmus von Höhen und Tal und Strom. Es ist nicht ein romantisch-ästhetisierendes .Bedürfnis, das uns zu einer solchen Betrachtungs weise führt, sondern die Erkenntnis, daß auch die heimischen Kräfte und Überlieferungen auf die Werke der Baumeister, ihnen bewußt oder unbewußt, einen nicht geringen Einfluß haben. I )em Auftraggeber des Pillnitzer Schlosses aber wären derart volkstümliche Erwägungen zuletzt in den Sinn gekommen. Hielten sich absolute Fürsten doch für Wesen, die einen Planeten beherrschten, ihre Schlösser brauchten Maßstäbe, die diesen weit- und himmelweiten Anspruch ausdrückten, nicht aber solche, die von landschaftlichen Besonderheiten ausgingen. Die Schönheit eines Palastes war dem Barockfürsten letztlich nur Mittel zum Zweck; das Schloß hatte vor allem zu wirken, zu