Bald werden es 150 Jahre her sein, daß es eine Fotografie gibt. Sie fing als eine Art Wunder an — Wunder, weil man sich nicht vorstellen konnte, daß auf mechanischem bzw. technischem Weg ein Bild entstehen könnte. Im Bewußtsein der Menschheit begann sie also zunächst als Scharlatanerie; doch wenige Jahre waren erst verflossen, da wurde sie geradezu als eine Kunst geschätzt. Ihr „Können" machte die Minia turenmaler handlahm. Das ging so seine Zeit, und ihre Fotografen galten als Künst ler — auch rein äußerlich mit brauner Samtjoppe, flatternder Halsschleife und schwar zem Barett. So war zunächst der Anfang! Doch dann setzte die Entwicklung ein. In ihrem Verlauf fand die Fotografie zahlreichen und mannigfaltigen Zulauf. Die „schwarze Kunst" wurde mehr und mehr entschleiert und das Geheimnis von damals zum sicheren und brauchbaren Rezept. Die „Kunst" des Fotografierens ging in die Breite, und ihre Spitzenträger wurden nivelliert. Die Künstler von ehedem entledigten sich ihrer äußerlichen Attribute an Kleidung und Gehaben und verschwanden hinter einem Vorhang, der nur zu oft ein Hungertuch war; denn die Amateure begannen in Massen aufzumarschieren. Sie fanden Spaß an dieser „Novität", und ihre Zahl war täglich im Wachsen. Es ging ihnen nicht um Gelderwerb, sondern um die Freude. Und als ihre Zahl so mächtig war, daß sie zu einem Faktor eines beachtlichen Kon sums wurde, setzte die Industrie ein mit der gleichen Selbstverständlichkeit, die jeder Erzeugung in großem Umfange zugrunde liegt. So wurde die Fotografie schließlich zu einem beachtlichen Zweig der Wirtschaft. Die Foto-Industrie befriedigt heute einen richtigen Bedarf, und sie hat dafür Werk hallen geschaffen, Gehirntrusts um sich versammelt, nach Vereinfachung und Narren sicherheit gesucht und wird nicht müde, das Fotografieren von Jahrzehnt zu Jahr zehnt zu erleichtern. Daß sich die Wissenschaften und die Technik, die Presse und die verschiedenen Dienste der Nachrichtenübermittlung, die Kunst und die Gerichte und viele weitere Gebiete des Lebens überhaupt der Fotografie als eines besonderen Hilfsmittels be dienen, ist nur die natürlichste Entwicklung. Wir wollen sie hier außer acht lassen; uns beschäftigt lediglich jenes Gebiet, das jedermann in die Hände gelegt ist — die Amateur-Fotografie, denn sie ist die Trägerin dieser Entwicklung. Ohne sie wäre das Fotografieren heute immerhin noch dem Dasein eines „Heilpraktikers" ver gleichbar, das den Unterschied zum richtigen „Arzt" macht. Die Amateur-Fotografie dient letzten Endes der eigenen Freude. Sie kann so mit einer Art „Hobby" verglichen werden, nur daß (meiner Meinung nach) die erforder lichen Geräte mit ihrer Präzision für ein Hobby allein zu teuer sind. Zum Skilaufen gehören lediglich zwei Bretter und zum Hochsprung gar nur eine Schnur, geschweige denn ein einziger Fußball für 22 Mann. Was ist aber schon ein Fußball wert?