Ein Kapitel Fotografik Unsere Groß- oder Urgroßmütter mußten wohl viel Zeit oder aus giebige Langeweile gehabt haben, denn sonst gäbe es keine Erklärung für die „Hausgreuel", die, von ihrer Hand geschaffen, noch heute in stark abgenutztem Zustand verwendet werden. Da sind z. B. die in Brandmalerei verzierten, aus Lindenholz gesägten Schweinchen zum Aufschneiden der Wurst für das Abendbrot, und vor allem die Tabletts, die unter ihrer zerkratzten Politur noch das „Dekor" von damals erkennen lassen. Junge Mädchen — die unsere Großmütter auch einmal waren — legten ihren schöpferischen Ausdruckswillen in Gedichtform in den be kannten Poesie-Alben nieder, oder sie waren kunstgewerblich be flissen. Dazu gehörte Holzbrand- oder Porzellanmalerei für die Begabten oder Spritztechnik für die weniger handwerklich Anstelli gen. Ihnen blieb die Spritztechnik mit dem Sieb vorbehalten. Das ging so vor sich: Sie sammelten Gräser, Kräuter, Farnblätter und überhaupt filigrangewachsene Pflanzen, preßten sie in Herbarien zwischen Fließpapier plan, bis sie trocken waren, und legten sie dann in Ornamentform auf irgendein Brett. Dann nahmen sie ein Sieb und eine ausgediente Zahnbürste, tauchten letztere in schwarze Farbe, und indem sie mit deren Borsten über das Sieb hinwegbürste ten, fielen feine Farbtröpfchen auf das Holz. Sie konnten sich natür lich nur dort festsetzen, wo sie ungehindert Zutritt hatten. Die Pflanzenblätter bildeten dieses Hindernis. Kurz nach dem Über sprühen gab es ein haargenaues Abbild der Blattformen, nachdem die Pflanzen abgehoben wurden. Und die Onkel und Tanten waren baß erstaunt über die feinsinnigen Künste ihrer Nichten, sobald sie die Teeschalen von dem Grundbrett genommen hatten, das in zwischen von einem Tischler zu einem Tablett mit Rahmen und Henkeln zusammengeleimt worden war. Diese Methode geht letzten Endes auf den unverwundbaren Siegfried zurück. Beim Bad, das ihn äußerlich mit einer Schicht überzogen haben soll, senkte sich ein Blatt auf seine Schulter und verhinderte dort den direkten Kontakt mit seiner Haut. Wir Fotografen müssen dabei unwillkürlich an eine Art von Kopier prozeß oder an Abdecklack beim partiellen Abschwächen denken. „Hausgreuel“ Spritztechnik . . . . . . und die Methode von damals Abdecken