Den Tod im Von Otfried von Hanstein Zeichnungen von Bernardo Z wei kurze, scharfe Schüsse zerreißen die Nacht — ein gellender Auf schrei aus weiblicher Kehle. Dann ist es für Sekunden wieder still. Diese Nacht, in der die Wolken wie zerfetzte Trauer schleier über den Himmel jagen und in den Winkeln der Bergschroffen das Wet terleuchten auf lodert, während der Voll mond über den Schneegipfeln steht und gespenstige Schatten über die Hänge kriechen. Erich Herborn, der Pfarrersohn aus Talbeuren, springt auf — erwacht und hat doch gar nicht geschlafen — starrt empor — erschrickt kaum, und doch krampft sich sein Herz zusammen, während er in langen Sprüngen den Steilweg emporrennt, der vom Dorf zu der „Villa“ emporführt, in der heut Xaver Galeiter, der Sechzig- jährige, seine Hochzeit feiert mit sei nem jungen, achtzehnjährigen Weibe, mit Anna Wigram, die vor einem Jahre Erich Herboms, des Pastorsohnes von Talbeu ren, heimliche Braut war. Ein pfeifendes Geräusch zischt auf — aus dem Strohdach der Scheune, die neben der Villa steht, diesem bizarren Gebäude, das gar keine Villa im städtischen Sinn, sondern ein trutziges, massiges Bauern haus ist, vor das sich frech wie ein Ein dringling ein modischer Erker vorlegt, und So aus dem ein zierlicher Turm seltsam her vorlugt — aus dem Strohdach dieser Scheune schießt eine hohe Stichflamme empor, wirbelt brennende Halme mit in die Luft und beleuchtet das Haus. Erich ist jetzt auf der Höhe, seine Brust keucht, seine Schläfen pochen, denn der Weg ist fast eine Felsentreppe. Drunten im Tal beginnen die Kirchenglocken von Talbeuren Feuer zu läuten. Erich steht in starrem Entsetzen. Zwi schen der jetzt schon lodernd brennenden Scheune und dem Hause, über das die Flammenlichter hinwegzucken, ist ein freier Platz, ein Platz aus geebneten Fels platten, denselben Felsen, auf denen das luftige Haus steht, das Xaver Galeiter seine Villa getauft hat. Auf der einen Seite wird dieser Platz durch ein hölzernes Geländer begrenzt, und dort gähnt zweihundert Me ter tief der Schachengrund auf. Der Platz ist von Blut besudelt —■ vom frisch vergossenem Blut; eine große, helle Lache steht in einer Höhlung, und blutige Fußtapfen ziehen sich bis an den Rand der Schlucht, das Geländer aber ist nieder gebrochen. Erich Herborn sieht alles dies und sieht es doch nur wie im Traum. Etwas viel Grauenhafteres ist vor seinen Augen. Di rekt ihm gegenüber steht Anna Galeiter. Die Lore Langt 10 Meter über dem Boden — — Ihre Augen sind weit aufgerissen und starr, ihr weißes Nachtgewand ist mit Blut befleckt — ihre Hand hält einen kur- Erich Herborn schreit auf: „Um Himmelswillen — Anna? —“ Sie scheint zu erwachen, sieht ihn, zen, dicken Hammer, und auch dieser ist wirft den Hammer von sich und stürzt mit Blut besudelt. ihm an den Hals. 5i