sind in Frankreich noch Jean-Richard Bloch und Pierre Hamp, beide ohne die Unerbittlichkeit Zolas zu erreichen, beide zu sehr Zolas äußerer Form nachstrebend, um ganz im Heute aufzugehen. Und hier in den Erben zeigt sich, wie sehr der zolaische Naturalismus ein Kind seiner Zeit war, wie unmöglich es ist, ihn einfach für unsere Gegenwart zu übernehmen. Die wahren Erben Zolas sind heute nicht unter den Naturalisten Hauptmannscher Färbung zu suchen, sondern in der Gruppe der „Reportagedichter“ Amerikas — der Gruppe um Sinclair Lewis, Dos Passos, Hergesheimer — in einem kleinen Kreis der jüngsten Russen, indes England in Wells, Deutschland in Heinrich Mann nur ganz vereinzelte Erscheinungen dieses Typus besitzt. Es hat den Anschein, als bliebe es heute in Deutschland den Reportern Vorbehalten, jene literarische Basis zu schaffen, die das tragfähige Funda ment einer Dichtung der neuen Sachlichkeit bilden kann, welche allen die künstlerische Gestaltung dieser Zeit und ihrer sozialen Probleme ermöglicht — im Sinne, im Geiste und mit dem Werkzeug Zolas. GERHART POHL / DER AKTUELLE ZOLA „Es hat mich einige Überwindung gekostet, die Arbeit einer ernstlichen Studie an eine literarische Erscheinung zu wenden, welche, für sich be trachtet, diese Mühe nicht verlohnt und ohne Zweifel nach kurzer Frist ebenso tief in die StiUe der Vergessenheit zurücksinken wird, als sie jetzt hoch in den Lärm des Tages emporsteigt.“ Ludwig Pfau in „Nord und Süd“. 30 Jahre sind diese Sätze alt und leben noch — als Schandmal, für die klein bürgerliche Borniertheit eines großsprecherischen, kenntnislosen Feuilletonismus. Stände heute ein kämpferischer Mensch von Zolas Format auf, der mit der bäuerlichen Kraft und so ungestüm wie er „nichts als die Wahrheit“ zu sagen entschlossen wäre, sie würden über ihn herfallen, die Pfauen-Federn des juste milieu, würden Tinten-Platzregen aus den Boulevard-Papieren über seinen Kopf schütten. „Überwindung“ würde es sie kosten, „die Arbeit einer ernstlichen Studie für eine literarische Erscheinung“ aufzuwenden, „die diese Mühe nicht verlohnt“. Auch in dieser Hinsicht hat sich nichts geändert. „ ... ich habe die Massen heulend nach meinem Tode verlangen gehört, ich habe eine Schmutzflut von Beschimpfungen und Drohungen sich zu meinen Füßen wälzen gesehen . . .“, schrieb Emile Zola am 12. September 1899. Aber „la vöritö est en marche et rien ne l’arretera“ verkündete zu gleicher Stunde die Ehren münze der „Liga für Menschenrechte“, die „Hommage ä Zola“ sein Bild trug. Und drei Jahre später — am 5. Oktober 1902 — sprach Anatole France am offnen Grabe dieses Emile Zola die denkwürdigen Sätze: „Die Folgen seiner Tat sind unberechenbar. Schon jetzt machen sie sich geltend. Denn sie haben ein Bestreben nach sozialer Gerechtigkeit ausgelöst, das sich nicht wieder hemmen lassen wird.“