wie Zolas Briefe in „L’Aurore“. (Aber beruhigt Euch, wir werden es nicht erleben.) Natürlich dürfte ein Wink der Wilhelmstraße nicht verschüchtern, sondern müßte zu neuer Tat befeuern. Ein Gerhart Hauptmann mit Zolas Kampf-Entschlossenheit ist immer mehr als Gustav Stresemann und Wilhelm Marx. Aber in Deutschland lügen ja selbst große Dichter — denn Schweigen heißt Lügen — um „Belange“ zu wahren. Sie stehen über den Parteien, links über den Parteien, versteht sich. Kastraten sind sie — aber nur so lange, wie sie sich selbst entmannen. Freiwillig degradieren sie sich zur kulturellen Luxus-Packung einer kulturlosen, raffgierigen Bourgeoisie. Nicht Suchende können den Weg nicht finden, das ist die Weisheit des kleinen Einmaleins. Und derweil erstickt alles in Barbarei und Schimpf. Aber Einiges hat sich doch geändert seit 1914. Und die wenigen Entschlossenen, die das Blutbad gebar, müssen weiter gehen. Eine schwere Aufgabe fiel ihnen zu, ein ruhmvolles Werk, das, zu Ende geführt, der Auftakt einer neuen Zeit sein kann. Wir müssen von Emile Zola lernen, „mit einfachen Worten nichts als die Wahrheit zu sagen, damit das Volk uns versteht“. Wir müssen die Tren nungslinie scharf abstecken und erkennen, daß zu uns nur gehört, wer dem ver antwortungsbewußten Geiste dient. Damit bricht der Begriff: Generation in sich zusammen. Denn Heinrich Mann und Arthur Ilolitscher gehören zu uns, nicht aber die gekrümmten Arrivös der Parteien und Cliquen oder die schreib wütigen Söhne bekanner Männer, die „mit gepflegtem, energischem Gesicht, dem klaren, scharfen Profil, der nüchternen Sprache . . .“ verbrecherischen Blödsinn schmieren. Wir stehen auf Seiten der Entrechteten, Unterdrückten, Gequälten, und kämpfen mit der revolutionären Avantgarde des Proletariats um die Liquidierung eines Systems, das uns alle zu vernichten droht. Für uns ist Emile Zola — 25 Jahre nach seinem Tode — brennend aktuell, der Klassiker der gesellschaftlichen Ab lösungskämpfe, das Symbol kühnen Menschengeistes und der revolutionären Unerbittlichkeit. OTTO BRATTSKOVEN / ZOLA UND DIE MALEREI SEINER ZEIT Zola als Erscheinung ist die Personifikation einer inneren Notwendigkeit des Schaffens, das in seiner Unabläßlichkeit von den tatsächlichen Quellen des menschlichen Darstellungsdranges gespeist wird. Die Bedingtheiten des Daseins, die soziologischen Verästelungen, die sozialen Untergründe und die menschlichen Triebe treten bei ihm aus dem Chaos der unendlich vielen Abläufe in eine Ordnung, die ohne spintisierende Abschweifung oder rein formalistische Tendenz nichts an Weitschichtigkeit einbüßt. Das ist das Wesentlichste bei ihm, ein anderes Moment, ein immer aktives Gerechtigkeitsgefühl wie selten bei einem Schriftsteller hängt eng damit zusammen und rundet die Erscheinung erst zu ihrer heutigen Bedeutung. Aus diesem Gerechtigkeitsgefühl wurde der junge Südfranzose Zola 1866 dazu getrieben, für die Zeitung „Evönement“ Kunstberichte über den Pariser Salon zu schreiben. Der Herausgeber des schon damals opportunistisch-bürgerlichen