GEMEINSCHAFTSIDEE 59 tike auf die Auffassung des Staates und des weltlichen Ver bandswesen überhaupt gezeigt. »Das Christentum zerstörte, indem es das Menschlieitsideal aus dem irdischen Staate in das Reich Gottes verlegte, die Grundlagen der antiken Ge sellschaftslehre. Nun erschien der Staat nicht mehr als der allumfassende Ausdruck des menschlichen Gemcinlebens: es gab eine höhere und innigere Gemeinschaft, welche Him mel und Erde umspannte und ihre Glieder zu lebendiger Einheit in und mit der Persönlichkeit Gottes verknüpfte.« In der Persönlichkeit Gottes beruht für das Mittelalter, wie wir erkennen werden, in der Tat alles: die Ordnung der Welt, der Gesellschaft, des Staates und der Kirche, zugleich die Garantie für menschliche Personalität und Individuali tät, für Eigenwürde und Gewissensfreiheit, für Eigen- und Sozialleben des Menschen. Christentum und germanischer Geist begegnen sich liier in einer geschichtlichen Zuordnung des Empfindens und der Menschauffassung. Kirche und ger manischer Staat kennen beide ihre Herrschaftsformen, aber beide auch den »genossenschaftlichen« Gedanken organi scher Einheit der Individuen im übergreifenden Ganzen — die Unterschiede werden noch hervortreten. Das Wesen genossenschaftlicher Ordnung ist der »Gedanke einer in der Allgemeinheit fordebenden Besonderheit«. Er ist für ger manische Anschauung von Mensch und Gesellschaft maß gebend: »Keinem anderen Volke in dem Zuge nach Uni versalität und in der Fähigkeit zu staatlicher Organisation nachstehend, die meisten an Liebe der Freiheit übertreffend, haben die Germanen eine Gabe vor allen Völkern voraus, durch welche sie der Freiheitsidee einen besonderen Gehalt und der Einheitsidee eine festere Grundlage verliehen ha ben — die Gabe der Genossenschaftsbildung.« Dieses Volk hat die Freiheit als Verpflichtung im Ganzen und für es ver standen, und es suchte »jene germanischen Grundanschau ungen, welche zur Universalität wie zur individuellen Frei heit drängen, beide aber durch den Genossenschaftssinn ver söhnen«, in seinem gesamten Leben in Gesellschaft und Wirtschaft, in Stand und Zunft, in Stadt und Staat — ob-