Q, < War Matthias Sojka wirklich Schüler Joh. Seb. Bachs? sich offenkundig ausgeprägt in Sojkas’ Tondichterwirken. Das Erblinden auf einer und zunehmendes Alter auf anderer Seite machten von da ab dem Leipziger Großmeister das Unterrichtgeben schwer, ja fast unmöglich. Er entließ dann seinen Schüler und über antwortete ihn, mit Ausstellung einer wahrhaft glanzvollen brieflichen Zeugenschaft, an den für Bach sehr hochstehenden, oben schon eingehends geschilderten Prager Organi sten Seegert 14 zu weiteret Ausbildung. Ich bedauere, diesen merkwürdigen Brief, den mir Seegert’s schon erwähnter letztet Schüler Organist Kuchär 15 vorgelesen, in dessen Gewahrsam der meiste Nachlaß Seegert’s gekommen, mir nicht abgeschrieben zu haben. Auf mich damals (1832) vierzehnjährigen, aber Bach’schem schon ziemlich vertraut gewordenen Knaben, haben diese Zeilen des Meisters den tiefsten Eindruck gemacht. Letzterer wird, indem ich dies niederschreibe, wieder mit aller Lebensfülle in mir wach. Ein angeborenes schüchternes Wesen hielt mich zu jener Zeit ab, dem doch so milden alten Musiker Kuchär eine gewiß mannigfach begründete Bitte zu stellen. Auf solche Art bin ich, ungewiß um das weitere Geschick des Kuchär’schen Nachlasses, um diesen köstlichen Fund gekommen, der mir, wie überhaupt allen Bach-Verehrern, eben jetzt sehr zustatten käme. Laurencins Nachricht über den Brief J. S. Bachs, die auf den ersten Blick so vertrauenerweckend wirkt, daß sie fast alle Autoren vorbehaltlos über nommen haben, weist bei näherer Betrachtung mehrere Unwahrscheinlich keiten auf. Laurencin schreibt, daß ihm der Organist Kuchaf den Brief J. S. Bachs vorgelesen habe, als einem „damals (1832) vierzehnjährigen aber Bach’schem schon zjemiich vertrautgewordenen KnabenGegen diese Mitteilung muß man einwenden, daß dies damals nicht möglich war, weil Kuchaf 1832 schon 3 Jahre tot war (er starb am 18. 2. 1829). Laurencin, der am 15. 10. 1819 geboren ist, war also in der Zeit des Todes Kuchars nur 9 Jahre und 4 Monate alt. Auch wenn wir zugeben, daß die Begegnung noch kurz vor dem Tode Kuchars stattgefunden haben könnte, ist sehr wenig wahr scheinlich, daß Kuchaf so einem jungen Knaben einen Bachschen Brief vorgelesen hat und namentlich, daß der damals neunjährige Laurencin sich schon eine Vorstellung über dessen Wichtigkeit machen konnte. Es ist auch höchst auffallend, daß Dlabac das Studium bei Joh. Seb. Bach in den betreffenden Stichworten über Sojka nicht erwähnt. Es ist schwer vorstellbar, daß Kuchaf, wenn er wirklich einen solchen Bach’schen Brief besessen hätte, diesen Dlabac nicht gezeigt haben sollte, da beide doch zur gleichen Zeit im Strahover Kloster in Prag lebten, wo Kuchaf 1790-1829 Organist und Dlabac Bibliothekar und 1788-1807 auch Chorregent war und wir aus einigen Stichworten von Dlabacs Künstler-Lexikon wissen, daß er manche Informationen von Kuchaf erhielt 16 . Hinzu kommt, daß weder 14 Vgl. Anmerkung 4. Vgl. Anmerkung 3. 16 Vgl. z. B. aus dem Stichwort „Czernohorsky, Bohuslav“ (Dlabac, Künst/er-Lexikon, Bd. I, Textspalte 308—309): „Im J. 1808 am 13. August traf ich noch ein Motett mit dem unterlegten Texte: Laudetur Jesus Christus, welches zwischen den Jahren 1720 bis 1739 in Prag bei Georg Labaun gedruckt wurde, bei unserem trefflichen Organisten Kucharz an...“ Über die Zusammenarbeit Kuchars mit Dlabac vgl. auch Rüzena Muzikovä: Bohumir Jan Dlabac (Miscellanea musicologica, Bd. III, Prag 1957, S. 20).