Eine neue Textquelle zu sieben Kantaten Johann Sebastian Bachs und achtzehn Kantaten Johann Ludwig Bachs AA Von Walter Blankenburg (Schlüchtern) Entsprechend der neuen Chronologie der Leipziger Vokalwerke hat Johann Sebastian Bach 1 im Jahre 1726 zwischen Mariä Reinigung (2. Februar) und dem 14.Sonntag nach Trinitatis (15.September) achtzehn Kantaten seines Meininger Vetters Johann Ludwig Bach 1 (1677-1751) sowie sieben eigene Werke - BWV 17, 39, 43, 45, 88, 102 und 187 - aufgeführt, sämtlich Kom positionen, die nach dem gleichen Aufbauplan gearbeitet sind. Bis zum Sonntag Kantate hat er damals, mit Ausnahme der Sonntage von Invokavit bis Palmarum (neben dem 2. bis 4. Advent tempus clausum in Leipzig), zunächst Sonntag für Sonntag dreizehn Kantaten seines Vetters dargeboten, darunter „Denn du wirst meine Seele nicht in der Hölle lassen“ (BWV 15) am ersten Ostertag. Für den Sonntag Rogate ist keine Aufführung nach gewiesen, und am Himmelfahrtsfest schloß sich mit BWV 43 sein erstes eigenes Werk der besagten Gruppe an. Danach sind für Exaudi, die drei Phngsttage und das Trinitatisfest sowie für den 2. bis 4., den 9. und 12. Sonn tag nach Trinitatis wiederum keine Aufführungen nachweisbar; im übrigen aber wechselten vom 1. bis 14. Sonntag nach Trinitatis einschließlich des Johannistages (24. Juni) und von Mariä Heimsuchung (2. Juli) unregelmäßig sechs Kantaten von JSB und fünf von JLB miteinander ab. 2 Möglicherweise waren auch die bezeichneten Lücken, ganz oder teilweise, mit Werken beider Komponisten besetzt. Der Zusammenhang beider Kantatengruppen ist seit langem erkannt worden. Dabei hat sich immer wieder die Frage nach der bisher nicht nachgewiesenen Herkunft der Texte gestellt. Stammen sie aus eine* gemein samen Quelle oder sind sie verschiedener Herkunft? Wenn verschiedene Herkunft vorliegt, sollte dann nicht Bach sein eigener Librettist gewesen sein? Daß es nicht abwegig ist, Textdichter und Komponist bei Kantaten jener Zeit in einer Person zu vermuten, zeigt das Beispiel Gottfried Heinrich Stölzels — seine Amtszeit als Gothaer Hofkapellmeister von 1719 bis 1749 1 Im folgenden werden die Abkürzungen JSB und JLB verwendet. 2 Vgl. Dürr Chr. Zwischen den beiden Auflagen von Dürr Chr erschien W.H.Scheides Abhandlung Johann Sebastian Bachs Sammlung von Kantaten seines Vetters Johann Ludwig Bach, BJ 1959, 1961 und 1962. Das wichtigste Ergebnis des ersten Teils war die Identifi zierung von BWV 15 „Denn du wirst meine Seele nicht in der Hölle lassen“ (im Text druck von 1726: „Der Herr wild meine Seele nicht in der Hölle lassen“), der vermeint lich frühesten Kantate von JSB, als Komposition von JLB. Die von H. Engel geäußer ten Bedenken gegen diese Zuschreibung (Musik in Thüringen, Köln - Graz 1966, S. 65) erweisen sich als nicht stichhaltig.