12 Heinrich Gerhard Franz Dresden als klassische Stadt — Projekte Longuelunes zur Umgestaltung Als in Dresden die Pläne zum Neubau der Frauenkirche enstanden - zwischen 1722 und 1726 15 - war gleichzeitig der kurfürstliche Hof und seine Baubehörde mit der Ausarbeitung von großen Plänen zur Umgestaltung der Altstadt, des linkselbischen Dresden beschäftigt. Sie sollten der Stadt, vom Schloß bis zum Zeughaus reichend, ein klassizistisches Aussehen geben im Sinne der Architektur, die der von August dem Starken berufene Zacharias Longuelune (1669-1748) aus Frankreich mitgebracht hatte. Von ihm wurden in den 20er Jahren detail lierte Bebauungspläne für das linkselbische Areal ausgearbeitet, die in großformatigen Entwür fen erhalten geblieben sind, vom Oberhofmarschallamt in großen Mappen gesammelt und geordnet. Minutiös vermessene Lagepläne lassen erkennen, daß die hier vorgeschlagenen Neu bauten und Umbauten ernsthaft zur Debatte standen und die Entwürfe nicht nur als unter haltsame höfische Schaupläne entstanden sind. 2 ' Wenn die Frauenkirche auch als Bauvorhaben der Bürgerschaft anzusehen ist, sind die Pla nungen des Hofes doch nicht ohne Einfluß geblieben, sie haben sogar entscheidend auf die Planung eingewirkt, und die Gestalt der Frauenkirche ist nicht voll zu begreifen, wenn sie nicht vor dem Hintergrund der urbanistischen Unternehmen des Hofes gesehen wird, die in den Händen des kurfürstlichen Oberbauamtes und des leitenden Bauintendanten, des Gou verneurs Graf von Wackerbarth lagen, der natürlich Intentionen und Wünsche Augusts des Starken zu erfüllen suchte. Für die Geschichte der Frauenkirche war der Eingriff von entscheidender Bedeutung, der vom Grafen August von Wackerbarth ausging und den Baumeister der Kirche, den von der prote stantischen Gemeinde eingesetzten Ratszimmermeister George Bähr (1666-1738) zwang, sein erstes Projekt grundlegend zu durchdenken und zu überarbeiten, das er 1722 eingereicht hat. Graf Wackerbarth hatte als oberster Leiter des Bauwesens durch den von ihm begünstig ten Landbaumeister Johann Christoph Knöffel (1686-1754) einen Konkurrenzentwurf aus arbeiten lassen - als 2. Projekt zur Frauenkirche bezeichnet -, in dem Bährs Plan im Sinne jenes Klassizismus umgestaltet erscheint, von dem das urbanistische Großprojekt Longuelunes bestimmt ist. Mit einem neuen Plan zur Kirche - dem 3. Projekt zur Frauenkirche - ist es dann George Bähr gelungen, eine Lösung vorzustellen, in der die Elemente des von seinen Kritikern eingebrachten Konkurrenzplanes, des »2. Projektes« zur Kirche, aufgegriffen, zu gleich aber auch in selbstbewußter, eigenschöpferischer Weise verarbeitet sind. Im Vorgehen des Grafen Wackerbarth ist man im allgemeinen geneigt, einen bürokratischen