92 Friedrich Dieckmann Im Umkreis zweier Stadtsymbole - Dresdens Neumarkt und Berlins Pariser Platz als Bauaufgaben Problemverwandtschaft Die Schicksalsverwandtschaft zwischen Dresden und Berlin ist als architektonische eine politi sche und als politische eine architektonische. Sie resultiert aus ihrer Rolle und Lage als Haupt städte zweier benachbarter deutscher Territorialstaaten, die ein Jahrhundert lang um die Vor machtstellung im protestantischen Deutschland rangen und, nachdem Preußen 1866 zum dritten Mal die Oberhand gewonnen hatte, im Gleichschritt in die Katastrophen des 20. Jahr hunderts marschierten. Beide Städte, deren Zentren auf verschiedene Weise flußbezogen sind, erhielten, obschon bereits im Mittelalter bedeutend, ihr architektonisches Gepräge im 18. Jahrhundert; zur gleichen Zeit ergaben sie sich dem um die Erhaltung großer historischer Architektur seltsam unbesorgten Historismus der Gründerzeit, erlitten die Verwüstungen des Bombenkriegs und folgten ihnen in der Nachkriegszeit mit dem Abriß kostbarer Ruinen, des sen erste Welle nach 1945 einsetzte, die letzte in den sechziger Jahren. Es sind diese Gemeinsamkeiten, die dazu führen, daß man zu vielen wichtigen Bauvorhaben im Innern Dresdens ein Gegenstück in Berlin finden kann und umgekehrt. Eine wesentliche Differenz zeigt sich bei den Residenzschlössern. Das der sächsischen Könige, die sich seit 1866 im Schlepptau der preußischen Vormacht befanden, konnte als Ruine über Jahrzehnte hin erhalten werden; nun ist der Wiederaufbau in vollem Gange; das Schloß, so zeigt sich, teilt das Schicksal des sächsischen Staates. In Berlin geschah das konträr Entsprechende. Nachdem der preußische Staat 1947 von den Alliierten aufgelöst worden war, verfiel das Hauptschloß der preußischen Monarchie, deren Befehlshaber das vereinigte Deutschland 1914 in den Ersten Weltkrieg geführt hatten, dem Abrißverdikt einer politischen Banausie, die immer wie der und bis auf den heutigen Tag Bauwerke mit ihren abgegoltenen Staatsfunktionen identifi ziert. An den hinterlassenen Steinen gedenkt sie die einstigen Nutzer zu treffen und trifft zuletzt immer sich selbst. Der Erhalt des Schlosses gibt Dresden bei der Wiederherstellung der inneren Stadt heute einen schwerwiegenden städtebaulichen Vorteil. Der Kulturpalast bildet in Dresden ein ästhe tisch-funktionales Problem eigener und abgesonderter Art; in Berlin ist dem entsprechenden Bauwerk, das Palast der Republik heißt und ein überdimensionales Kulturhaus vorstellt, die