„Sie haben mich noch nie in Ihrem Leben gesehen. Ich bin jedoch nicht her gekommen, um Fragen zu beantworten, sondern um solche zu stellen. Sie haben den letzten Samstag und Sonntag im Hause des Grafen Nola verbracht?“ „Ganz recht.“ ,,Sie haben am Samstag Poker gespielt und ebenso am Sonntag. Sie spielten, wie gewöhnlich, meisterhaft, doch —“ „Entschuldigen Sie, ich habe miserabel gespielt. “ „Doch das Glück war gegen Sie. Es wurde um hohe Summen gespielt, und Sie haben mehr verloren als Sie sich leisten dürfen. Soll ich die Summe nennen?“ „Ersparen Sie mir die unangenehme Erinnerung.“ „Um also fortzufahren: Samstag nach mittag fuhren Sie zur Besitzung des Gra fen Nola in Ihrem Auto, das von Ihrem Diener Martin gelenkt wurde, und trafen gegen 5 Uhr ein; Ihr Diener und das Auto blieben im Gasthof Zu den drei Schwä nen. " „Mein Kompliment für die Genauigkeit Ihrer Angaben.“ „Ich komme jetzt zu den Ereignissen in der Nacht zum Sonntag. Das Karten spiel wurde frühzeitig abgebrochen, gegen elf, woraufhin sich die Damen zurück zogen. Es blieben noch — doch vielleicht erzählen Sie das selber." „Muß ich das?“ „Ich bitte darum.“ „Was hat denn das alles für einen Zweck? Woraufhin wollen Sie hinaus?“ „Das werden Sie früh genug erfahren, antworten Sie jetzt auf meine Frage!“ Lestrova überlegte. „Wer noch blieb? Na, also erstens Strackow, der seinen Ro man las, dann Kadony, der für die Zei tung ein Silbenrätsel fabrizierte, Sieveking am Klavier und schließlich van Reel, der dem jungen Braun auseinanderzusetzen versuchte, daß der nächste Weltkrieg fünf Wochen vor Weihnachten ausbrechen und die gesamte Menschheit kurz nach Ostern in die Luft fliegen würde. Das war alles.“ „Sie haben sich selber vergessen.“ „Ja, aber ich ging früh zu Bett.“ „Sie gingen zwar als erster, aber nicht zu Bett. Sie sind eine volle Stunde in Ihrem Zimmer auf und ab gegangen. Ihre Spielverluste machten Ihnen Kopfschmer zen —“ „Das stimmt nicht.“ „Um 2 Uhr, als alles schlief, traten Sie auf den Balkon hinaus.“ Lestrova zog die Augenbrauen empor: „Darf man nicht etwas frische Luft schöpfen?“ „Sie gingen den ganzen Balkon ent lang, der noch an drei anderen Zimmern vorbeiführt. An seinem äußersten Ende befindet sich der Ankleideraum der Grä fin Nola. Mein Beobachter verlor Sie dort kurze Zeit aus den Augen, da dieser Teil des Balkons durch die Zweige eines großen Kastanienbaumes verdeckt wird. Als Sie wieder sichtbar wurden, kehrten Sie in Ihr Zimmer zurück, das Sie bis zum nächsten Morgen nicht mehr ver ließen. “ Der Sprecher machte eine Pause, wie wenn er das erste Kapitel einer dramati schen Erzählung beendet hätte. „W as Sic mir da erzählen, ist mir nicht gerade neu“, bemerkte Lestrova, ein auf steigendes Gähnen höflich unter drückend. „Gestatten Sie, daß ich mir eine Zigarette anzünde?“ „Halten Sie Ihre Hände ruhig, oder Sie sterben auf dem Fleck. Sie beginnen einen spöttischen Ton anzuschlagen, der Fortsetzung auf Seite 126 46