„Frau Oberin, ich muß Ihnen eine Meldung machen: die Neueinlieferung auf der Kinderstation wird die Nacht kaum überleben.“ Die Angeredete blickt bestürzt von ihrem Schreibtisch zu der eingetretenen Schwester auf: „Steht es wirklich so schlimm, Schwester Helene? Aber meines Wissens hat doch Herr Geheimrat selbst heute mittag die Tracheotomie vorgenommen?" „Ganz recht, Frau Oberin. Der Schnitt hat dem Kinde zuerst auch Erleichterung gebracht. Doch im Laufe des Nachmittags ist eine bedeutende Verschlechterung ein getreten. Das Fieber ist wieder gestiegen; der Puls jagt und ist kaum noch zu fühlen; der Atem riecht, aus der Nase tröpfelt eitriger Ausfluß. Das Mädel ist völlig apa thisch und verweigert sogar Getränke. Es ist zu traurig, Frau Oberin.“ „So — tja — hmm, das wäre der zehnte Todesfall an Diphtherie in diesem Monat, a’.'ein bei uns. Und wir haben heute erst den Zwanzigsten“, stellt die Oberin fest. Die Schwester rafft sich zusammen: „Wir sollten noch einen Versuch zur Rettung wagen, wenn Sie erlauben.“ „Wir können nur beten, liebes Kind“, bescheidet sie die Vorgesetzte ernst. „Frau Oberin, ich meine etwas anderes“, erwidert die Schwester. „Ich erinnere mich, Herr Geheimrat hat kürz lich einmal davon gesprochen, daß ein Berliner Stabsarzt ein neues Mittel gegen Diphtherie entdeckt habe. Und Herr Geheimrat hat erlaubt, daß wir den Herrn Stabs arzt bei einem verzweifelten Fall holen lassen dürfen, damit er sein Verfahren anwenden kann. — Bitte, liebe Frau Oberin, lassen Sie mich den Stabsarzt rufen!“