Emma Schumburg schickt sofort ein dringendes Tele gramm an Hermann Scholz. Mit dem nächsten Zug fährt sie nach Marburg. Die drei Stunden dehnen sich ihr zu einer Ewigkeit. Am Bahnhof holt sie der getreue Scholz ab. Ganz verdattert blickt er drein. „Der Herr Geheim rat ist im Sanatorium in München, seit vorgestern, seit dem zweiundzwanzigsten“, das ist alles, was sie aus ihm herausbringen kann. In der Roserstraße empfängt sie unten in der Diele die alte Klemm. „Wo ist meine Schwägerin?' 1 fragt Emma hastig. Die Kinderfrau gibt ihr Bescheid. Sie stürzt die Treppe hinauf. Oben findet sie eine ve. bissen um Fassung ringende Frau. „Das ist schön von dir, Emma, daß du gekommen bist. Emil ist zusammen gebrochen, einfach zusammengebrochen. Es war zu viel für ihn, zu viel.“ XVI. Auf seinem Zimmer in der „Kuranstalt Neuwittels bach“ bei München, Chefarzt Dr. Rudolf von Hoeßlin, sitzt Emil von Behring. Mit großen, ein wenig krake ligen Buchstaben malt er in ein schmales blaues Schüler schreibheft, das ihm zu Entwürfen für wichtige Briefe dient, folgende kurze Worte: „Montag, d. 20./IX. 09. Am 18. IX. abends Abfahrt von Lufrau. Schwerer Ab schied. Morgens wollte ich noch mitfahren.“ Er zieht unter die Notiz einen langen Querstrich über die Breite der Seite, schiebt das Heft von sich weg und starrt vor sich hin. — Ja, du großer Gott, — sind denn wirklich schon zweiundzwanzig Monate verflossen, die ich hier zugebracht habe? Kann ich gar nicht mehr zur Arbeit zurückfinden? — Die Ärzte behaupten, ich sei nicht krank, ich sei organisch vollkommen gesund. Gut, ich will es glauben. Aber sie vergessen eines, sie ver gessen, daß ich gescheitert bin. Er greift mit beiden Händen die Tischkante. —- Sieht es nicht beinahe schwerfällig aus, wie er sich langsam erhebt, wie er sich reckt? In früheren Jahren, wenn sein Temperament ihn übermannte, durchmaß er eine Stube