VIII. Mit dem 1. August 1894 beginnen die von Bruder und Schwester vorausgeahnten kritischen Wochen, Schlag auf Schlag rollen die Ereignisse ab. Am 1. August er öffnen die Höchster Farbwerke den allgemeinen Verkauf des Diphtherieheilserums. Am 8. August wehrt sich Beh ring noch einmal mit vernichtender Wucht durch einen kurzen Artikel in der DMW gegen Aronsons Machen schaften. Zur gleichen Zeit zieht Friedrich Althoff ein gehende Erkundigungen über die Lehrbefähigung Beh rings ein. In nervöser Gespanntheit wartet dieser unter dessen auf das Ergebnis, sich zu jeder Stunde für eine etwaige Berufung bereit haltend. Dieweilen erstattet Emile Roux am 3. September in Budapest einen groß aufgezogenen Bericht „Sur les Serums antitoxiques“*). Im Nu wird er seitens der französischen Presse als „notre grand Roux, der Erfinder der Anti-Diphtheritis-Lymphe“, begeistert begrüßt. Am 15. September wird „der bisherige Stabsarzt Dr. Emil Behring 4 ’ zum außerordentlichen Pro fessor in der medizinischen Fakultät der Universität Halle-Wittenberg ernannt. Am 25. September hält er auf dringendes Anraten von Freunden und Verehrern seinen ersten öffentlichen Vortrag über seine Blutserum-The rapie auf der Naturforscher-Versammlung zu Wien. Bu dapest und Wien werden blitzartig zum Startschuß für eine Flut von Aufsätzen in der Tagespresse Europas über Diphtherie und Heilserum. Hoch Behring, der Retter der Kinder! — rufen die einen. Fort mit der vergiftenden Serumspritze! — schreien die anderen. Während über dies ein Teil der Presse — und zwar nicht bloß der fran zösischen! — gar nicht Emil Behring, sondern Emile Roux als den genialen Entdecker feiert. Die öffentliche Meinung, aus Mangel an Sachkenntnis urteilslos, aber begreiflicherweise an dem Problem brennend inter essiert, wird verwirrt, wird beinahe aufgepeitscht, — bis der Staat in den Wirrwarr glättend und bestimmend ein greift. Am Ende des darüber verstrichenen Vierteljahres ist Behring infolge der sich steigernden Aufregungen und *) Übersetzung: „Über die antitoxiseben Sera“.