Behring hatte auf die Chance Budapest verzichtet, weil er in gespannter Ungeduld auf die amtliche Bestal lung als Universitätsprofessor warten zu müssen glaubte. Unterdessen hatte der französische Gelehrte am 3. Sep tember in der temperamentvollen Hauptstadt Ungarns über seine, im „Höpital des Enfants Malades“ erzielten Heilerfolge mit Diphtherie-Antitoxin berichtet: Gegen über einer Sterblichkeit an Diphtherie in den Jahren 1890 bis 93 von 50—60% sei die Sterblichkeit in dem Hospital ab Februar 94 nach Einführung der Serumbehandlung auf durchschnittlich 24,5% gesunken. Dabei vergaß er mit nichten, des Schöpfers der neuen Heilmethode zu er wähnen. Er sagte an einer Stelle seines Referats: „La serumtherapie est restee ä l'ordre du jour de la medicine, depuis que M. Behring a fait connaitre les proprietes du serum des animaux immunises contre la diphtherie.“ *) Und er schloß seine Rede mit den Worten: „Nous pou- vons declarer que nos resultats confirment ceux de M. Behring et de ses collaboratcurs.“**) Jedoch daß Roux als der bekannte Entdecker des Diphtheriegiftes auf der ersten großen internationalen Erörterung über das neue Heilserum allein hervortrat, der Umstand bewirkte ganz wie von ungefähr im Blickfeld der Öffentlichkeit eine Zurücksetzung des deutschen Forschers. Gegen diese Wirkung verpuffte auch — zumal ihm vor dem Fran zosen das Wort erteilt wurde — der Vortrag von Otto Heubner, der eine genaue Beschreibung der Anwen dungsart des neuen Mittels am Krankenbette gab und dabei natürlich Behrings überragende Verdienste unter strich. Der beredte Emile Roux, in der Presse mit dem traditionellen schwarzen Käppi aller Pasteurianer abge bildet, blieb der gefeierte Held des Tages. Schon begannen deutsche Zeitungen, die „Lesart“ eines „Figaro“, eines „Matin“ und anderer Pariser Blät- *) Übersetzung: „Die Serum-Therapie gehört heute zu den Tages fragen der Medizin, seitdem Herr Behring uns die Eigenschaften des Blutwassers (Serums) von Tieren erkennen ließ, die gegen Diphtherie immunisiert sind.“ **) Übersetzung: „Wir können erklären, daß unsere Ergebnisse mit denen von Herrn Behring und seinen Mitarbeitern iiberein- stimmen.“