94 Jcan-Claude Zehnder lieh den Ursprung der melodischen Erfindung“. 173 Wiederum erklingt ein „Solo“ in der Art der Vorimitation (T. 84), das letzte dieser Choralthemen (T. 89 Tenor) wird im Moment des Ritornellbeginns (T. 91) in halben Noten weitergeführt (Tenor) und zeigt damit (ebenfalls „nachträglich“), daß im Ri- tornell die erste Choralzeile von Anbeginn „latent“ vorhanden war. Vielleicht darf man annehmen, daß Bach bei den Revisionsarbeiten an den „Achtzehn Chorä len“ sich die Gestaltung der beiden Trios BWV 655 und 664 wieder vergegenwärtigt hat. Daran anknüpfend wäre dann diese kraftvolle Bearbeitung des Glaubensliedes entstanden. Charakteristisch für den Leipziger Stil ist wieder das Fehlen der Kadenzfloskeln; ungewohnt ist zudem der 2/4-Takt: noch im Wohltemperierten Clavier I fehlt er gänzlich. Bach hat ihn wohl in den Konzertbearbeitungen nach Vivaldi kennengelernt; bis er ihn für eigene Werke verwendete, vergingen offenbar noch einige Jahre (erstmals in den Brandenburgischen Kon zerten?). * Nachtrag Ein Jahr nach Abschluß dieser Studie haben sich einige neue Aspekte ergeben. So datiert Yoshitake Kobayashi die Jagd-Kantate BWV 208/1040 aufgrund der Schriftmerkmale des Autographs schon in das Jahr 1712. 174 Diese Neu datierung macht eine stärkere Auffächerung hinsichtlich der Chronologie der hier besprochenen Werke wahrscheinlich; um 1714 Kantate BWV 182(1714) Orgel-Toccata C-Dur BWV 564 (Satz 1 und 2) Trio „Herr Jesu Christ, dich zu uns wend“ BWV 655 a um 1712 Jagd-Kantate BWV 208/1040(1712) Orgel-Toccata F-Dur BWV 540 Trio „Allein Gott in der Höh sei Ehr“ BWV 664a Fuge a-Moll BWV 944 um 1709/10 Manualiter-Toccata G-Dur BWV 916 Die Gruppe „um 1714“ scheint mir recht gut gesichert, besonders die Toccata und das Adagio aus BWV 564 (bei der Fuge deuten einige Merkmale auf eine frühere Entstehung 178 ). Das Trio BWV 655 a ordne ich aufgrund seiner „kon struktiven“ Faktur dieser Gruppe zu. Gruppe „um 1712“: Die Zuordnung der F-Dur-Toccata zur Jagd-Kantate wurde oben begründet. Im Trio „Allein Gott in der Höh“ ist die „Verknüp fung“ von Choralteil und Cantus-firmus-Teil noch weniger überzeugend ge lungen als im Trio BWV 655. Das Modellspiel mit dem Themenkopf der Fuge BWV 944 erinnert stark an das Modellspiel im Ritornell von BWV 1040. Doch würden die letzten beiden Zuordnungen eine detailliertere Begründung er fordern. Daß die Manualiter-Toccata G-Dur das früheste der betrachteten Werke ist, schließe ich aus den zahlreichen „Böhm“-Merkmalen, aus den Akzent-Oktaven 173 W. Breig über das Trio BWV 655, siehe oben, besonders Fußnote 84. 174 Referat auf dem Kolloquium über das Frühwerk Bachs (Universität Rostock, September 1990, Veröffentlichung in Vorbereitung). 175 Beispielsweise die Kadcnzfloskel des Fugenthemas.