15. Der Gast im Posthause. Noch heute ist es ein kleines, bescheidenes Städt chen, das sich mit seinen größeren Schwestern nicht messen kann, die talabwärts von den Wellen desselben Flüßchens bespült werden, an dessen Ufern es gebettet liegt. Aber vor hundert Jahren und mehr war es noch viel bescheidener und anspruchsloser als heute. Nichts als Ackerbürger gab es da. Die Häuser waren meist aus Holz und Lehm. Aus jedem Anwesen brummte die Kuh und meckerte die Ziege. Vor jedem tzaustüren- steine lagerte sich die „Goldgrube" des Anwesens, die Düngerstätte; dort gackerten die Hühner und schnatter ten die Gänse. Schlicht und einfach waren die Le bensverhältnisse. Männlein und Weiblein trugen noch die Tracht der Väter und Mütter. Die Einwohner waren alle untereinander verwandt. Man freite „über den Zaun". Einer nannte den andern „Herr Nach bar" oder „Herr Gevatter". Jeder dritte Mann hieß Lobel, und um alle diese zahlreichen Lobel zu unter scheiden, setzte man fein ordentlich die Straße, in der jeder wohnte, vor seinen Namen; so gab es einen. Sandlobel und einen Torlobel, einen Pfortcnlobel und einen Storchengaßlobel, sogar einen Schießhauslobel und einen Rotenturmlobel, einen Döderweinbachlobel und einen Böckelberglobel. Die Leute im Städtlein nährten sich in der Hauptsache von Kartoffeln und tranken dazu das dünnste Bier, das je in der Welt gebraut worden ist. Kurzum, es war im Städtchen so schlicht wie auf dem Lande, und selbst der Name erinnerte mehr an ländliche als an städtische Ver hältnisse, denn das Städtchen hieß — Adorf. Trotzdem waren die Einwohner auf ihr Städtlein stolz, und sie durften es sein. Hatte es nicht eine reiche Geschichte? War es nicht im dreißigjährigen