Novelle OSSIPKALENTER enn die sieben wohlrasierten Herren, die sich allabendlich in der Höxter- Bar trafen,schon im allgemeinengegen das Heiraten waren, so im besonderen bei Bry, der einbeinig war. „Sie haben alles, was Sie sich wünschen können. Sie verfügen über größeres Kapital, Sie haben diese famose Kronleuchterfabrik, keinen Aufsichtsrat, der Ihnen hineinredet, keine bucklige Verwandtschaft. Sie haben eine nette Wohnung, eine tüchtige Wirt schafterin. Ich gebe zu: hübsch ist sie nicht. Bei Lichte besehen ist sie sogar fürchterlich. Aber sie kocht ausgezeichnet 1“ sagte Zum busch, ein Vierziger, passionierter Jungge selle und Direktor einer Elektro-Bedarfs- A.-G. „Gewiß, Sie haben im Kriege das Bein verloren. Ich hab mir innerlich einen Knax geholt. Beim einen sieht man’s, beim ändern nicht. Der eine kann damit hundert Jahr alt werden, der andere hat keine fünfe mehr zu leben. Wir haben alle unsern Schatten, lieber Bry. Und Sie glauben, den Schatten mit einer Ehe totschlagen zu können?“ „Totschlägen nicht, aber vielleicht ab schwächen“, entgegnete Bry und sah über Zumbusch hinweg auf einen galanten Wand schmuck. „Ach, Sie Idealist 1“ sagte Zumbusch. Na türlich, Sie sind noch jung. Aber das ist doch kein Grund zum Heiraten!“ Greiner, Arzt aus Liebhaberei, ohne eigent liche Praxis, und von den regelmäßigen Be suchern der Höxter-Bar neben Bry wohl der feinnervigste, sah ein, daß Zumbuschs Reden Bry eher verletzen als nützen konnten. Er lenkte vom Thema ab, auf das Zumbusch erst zurückkam, als man sich trennte. „Die Finger von sowas lassen!“ riet Zum busch und klopfte den kaum zehn Jahre jüngeren väterlich auf die Schulter. „Es ist eine einmalige sentimentale Anwandlung. Ich kenne das. Es geht vorüber. Natürlich ist es nicht leicht. Aber besser vier Wochen mit Weltschmerz herumlaufen, als sein Leben lang verheiratet sein. Bei mir hätte es ja keine Gefahr. In fünf Jahren gäbs eine lustige Witwe, und alles wäre überstanden. Aber bei Ihrer Konstitution ... Zähne zusammen beißen 1“ Bry stapfte mit Greiner zur Straßenbahn. „Für euch liegen die Dinge anders“, sagte Bry. „Die innere Einsamkeit, die ihr als so köstlich rühmt, ist mir unerträglich. Es gibt Stunden, wo ich mir selber zum Ekel bin; Stunden, in denen es mir restlos vergeht, den Stoiker zu simulieren. Ich habe es satt, solche Stunden noch weiterhin durchzu machen.“ „Und du meinst, daß die Ehe dagegen hilft?“ fragte Greiner vorsichtig. 1079