Zur Geschichte der Permutationsfuge 105 Den profanen Zügen des Textes entspricht der monodische Stil. Die lang ausgehaltene Dissonanz des Kontrapunkt 1 wird von Christoph Bernhard, der sie als „Extensio“ bezeichnet, zu den Figuren des Stylus theatralis ge zählt; sie sei - wie bei Donati - „gemeiniglich mit der Multiplication“ - d. h. mit deklamatorischer Tonwiederholung - „vereiniget“ (83). Als Analogon zu Donatis Fuge wäre aus der protestantischen Motetten- und Kantatenüberlieferung der Anfang des deutschen Sanctus von Johann Phi lipp Krieger zu zitieren (DDT 53 54, 309-11). Doch fehlt dem Doppelthema - trotz rhythmischer Kontraste und poin tierter Deklamation - der monodische Charakter; und es ist kaum Zufall, daß die Motive an den Choral „Nun freut euch, liebe Christen gmein“ er innern: Kontrapunkt 1 scheint den Anfang, Kontrapunkt 2 den Schluß der ersten Zeile abzubilden. Das Doppelthema wird zunächst abwärts durch den Stimmen geführt und dann in wechselnden Kombinationen dargestellt: VI I VI II S A T B 2 1 2 1 Zwei Fugen mit Doppelthema und ergänzendem Kontrapunkt zitiert Padre Giambattista Martini 1775 im „Esemplare o sia saggio fondamentale pra- tico di contrappunto fugato“ (135-41 und 142-48). In der ersten, einem „Estratto del Dixit a 4 concertato con strumenti“ von Angelo Predieri (1655-1731), bildet der ergänzende Kontrapunkt 3 - wie in Bachs Kan tate 63 - Terzenparallelen zu Kontrapunkt 2. S A T B 12 12 2 3 I I 2 I 2 3 3 2 3 I 2 Kontrapunkt 1 ist eine Psalmintonation, 2 ein ins Vokale übertragenes Instrumentalmotiv. - Die zweite Fuge, ein „Estratto dal Dixit a 4 concer tato con strumenti“ von Giacomo (Jacopo?) Antonio Perti (1661-1756), scheint aus den 1735 gedruckten „Messe e Salmi concertati a 4 voci con strömend e ripieni“ zu stammen, kann aber, da Perti schon 1680 eine Messe schrieb und später Kapellmeister an San Petronio in Bologna war, Jahr zehnte früher entstanden sein.