48 Sebastian im Wald Sebastians Zaubersinn war geweckt. Das Traumbild, das er schuf, war vollkommen an Glanz und Abenteuerkraft. Mochte auch aus dem Tal die Dampfsirene der Fabrik herauf tönen in das mystische Waldleben: der Klang verkündete nichts anderes als das sirenen- hafte Heulen riesenhafter Zikadenschwärme, die über den Urwald dunkel hinwegbrausten. Das Mädchen Sebastian wanderte seit einigen Tagen be reits in den schweigenden Frühen über die Berghalde, die ihn hinabließ in seine betau ten Waldstriche. Die feuchten Halme und Kräuter benetzten seine Füße, auf dem Klo ster lag der goldene Glanz der Morgensonne. Die Lerchen, schon lange in den Lüften, stie ßen an den Himmel, die Amseln schwelgten im Buchenhain, der Kuckuck rief von irgend wo. Keusche Wohlgerüche durchdufteten das Tal. Der Maienmorgen war rein und hell wie das Antlitz des jungen Mädchens, das unter dem Tor der Burg Saaleck stand und in die gütige Frühe hineinblickte. Die junge Hirtin wartete auf ihre Ziegen; gemächlich trotteten sie durch den Burghof. Sie erkannte sogleich den gebräunten, frem den Mann wieder, der mit kaum einem Sei-