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Ständige Beilage der „ Typographischen Mitteilungen" DerSprachwart Monatsblätter für Sprachpflege und Rechtschreibung Fachmitteilungen für die deutschen Korrektoren 19.JAHRGANG FEBRUAR 1927 NUMMER 2 DO YOU SPEAK “Only a little, Sir. I was never abroad. I learned it by self-instruction, with zeal and application, twenty-five years ago. Since that time I have many forgotten: on account of insufficient practice.” So oder ähnlich wird der ehrliche Selbftlehrer feine Schwäche eingeftehen. Verfpräche er mehr, fo müßte er kläglich vertagen. Damit hätte ich ausgefprochen, was Kennern durdi- aus kein Geheimnis ift, daß nämlich eine Fremd- (prache bis zu ihrer Beherrfchung, ihrer Handhabung wie die Mutterfprache nur im Ausland erlernt wird. Kein noch fo vorzügliches Unterrichtsverfahren ver mag den Auslandaufenthalt zu erfetzen. Der Ler nende hat in der Heimat zweifellos Gelegenheit, fich eine gute Grundlage zu fchaffen, auf der er, wenn belondre Glücksumflände es geflatten, in der Fremde weiterbauen kann. Nur hier wird er ganz hinein- wachfen in das halb und halb erfaßte Wefen der neuen Sprache, weil er hörend nichts andres hört, fehend nichts andres fleht und gezwungen ift, (ich ihrer fprechend zu bedienen. Eine fo erworbene Fremdfprache wird auch nicht fo leicht vergeflen wie die unter großen Mühen da heim erlernten Kenntniffe, die, wenn fie nicht ganz verlorengehen follen, von Zeit zu Zeit aufgefrifcht werden müften. Freilich, auch wer die Krönung feines Werkes in der Fremde vollzog, wird nach feiner Heimkehr fich mehr oder weniger bemühen müden um die Erhaltung des koftbaren Sprachgutes. Welche Ausfichten bieten fich nun dem Buchdrucker im Hinblick auf einen Auslandaufenthalt zur Be- feftigung und Erweiterung fremdfprachlicher Kennt- nide? — So gut wie keine. Sie waren vor dem Kriege fchon gering und haben üch in der Folge wegen der ungünftigen Wirtfchaftslage in allen Europaftaaten nicht gebedert. Wer nicht im Akzidenzfatz oder Illu- ftrationsdruck Außergewöhnliches leiftet, mag jede Hodnung auf Erfüllung feines Wunfches begraben, es fei denn, daß im Ausland weilende Freunde oder Verwandte ihm eine Stelle vermitteln. Aber wenn dem fo ift, daß eine Fremdfprache bis zur völligen Beherrfchung nur im Ausland erlernt wird — Ausnahmen beftätigen die Regel —, ein Aus landaufenthalt aber für die wenigften erreichbar ift, dann darf wohl die in den „Nachrichten der Zentral- kommiffion“ 1926, Nr. 17, vom Kollegen Werner für Korrektoren aufgeftellte Forderung der „völligen ENGLISH, SIR? Beherrfchung einer fremden Sprache" nicht in dem von mir beliebten ftrengen Sinne genommen werden. Einige Kollegen, die ich um ihre Anficht fragte, woll ten in der Tat nur eine grammatikalifche Beherr fchung annehmen. Andre ftimmten meiner Auslegung zu, glaubten aber verfichern zu können, daß Korrek toren mit folch beachtlichen Sprachkcnntniffen für ihren Beruf verloren wären, weil fie eine andre, an genehmere und vor allem lohnendere Befchäftigung fuchen und finden würden. Übrigens gäbe es felbft unter unfern Gebildeten nur verhältnismäßig wenige, die ihre Mutterfprache wirklich beherrfchten. Vielleicht ift Kollege Werner fo freundlich, fich zu diefer überaus wichtigen Frage des nähern zu er klären und hier und da aufgetauchte Zweifel zu be heben. Den Begriff der völligen Beherrfchung finden wir übrigens fchon einmal an andrer Stelle gebraucht, in den „Fachmitteilungen" 1911, Nr. 15, allerdings mit Bezug auf die Mutterfprache. Kollege Reinecke fchreibt dort: „Völlige Beherrfchung der deutfchen Sprache, einfchließlich der amtlichen Rechtfehreibung, d. h. alfo die Fähigkeit, gut und richtig fchreiben zu können, das ift das, was man von einem Korrektor unter allen Umftänden verlangen kann und ver langen muß." Alfo „gut und richtig fchreiben können“ ift nach Reinecke die Gleichung für völlige Beherrfchung. Verwenden wir diefe Auslegung mit Bezug auf die Fremdfprache, fo fcheint uns die Wernerfche Forde rung fchlechterdings unerfüllbar. In diefer Meinung werden wir beftärkt, wenn wir daran denken, daß es in den fremdfprachlichen Handfchriflen ebenfo wie in den deutfchen Fehler der Rcchtfchreibung wie der Sprachlehre und durch Eile und Unachtfamkeit her vorgerufene Entgleifungen und Irrtümer gibt. Zufammenfaffend wäre zu fagen: Völlige Beherr fchung einer Fremdfprache ift für den Korrektor zweifellos von großer Wichtigkeit, aber in den fel- tenften Fällen zu erreichen. Ein fleißiges Eindringen in die neueren fremden Sprachen bis zu einem fichern Gefühl für ihre Möglichkeiten oder Unmöglichkeiten, das ihn bei Gefahren warnt und zum Nachfchlagen veranlaßt, follte fich indeffen jeder Korrektor zur Aufgabe machen. Dem Gefchäftswohl förderlich ift eine ausreichende Nachfchlagbücherei. Artur Schwabe, Stuttgart