Hans Benzmann Eine Novelle aus der Südsee VON HANS BENZMANN Es war in Honolulu. Ich kam wieder einmal aus Kalifornien und hatte die zwei Zentner schweren hawaiischen Schönheiten gründlich satt. Denn unter den Kanaken der Sandwichinseln macht die Degeneration von Jahr zu Jahr rapi dere Fortschritte. Alkohol und Geschlechts krankheiten, die von Amerika importiert werden, richten hier wahre Verheerungen an, und das polynesische Blut, das sich mit dem der Weißen mengt, erzeugt eine faule und zu allen Exzessen neigende Rasse, die man wohl am besten mit den halbzivilisierten Negern in Port au Prince auf Haiti vergleicht. Als ich nun eines schönen Tages unter den Kokos Honolulus in jenem entner venden Klima des ewigen Sommers spa zierte, fiel mir eine alte Erzählung über Kannibalen ein. Der Zufall kam mir zu Hilfe. Ein kleiner Dampfer mit der Bestimmung Suva lag bereit. Und ich schiffte mich nach den Inseln des Paradieses ein. Das sind weit über 80 Korallenklippen, hart auf der Grenze zwischen Pazifik und Indischen Ozean gelegen. Das polyne sische Idiom hat ihnen jenen hoch poetischen Namen verliehen und ihre wundersame Vegetation so wie das herr liche Seeklima rechtfertigen ihn in man cherlei Beziehung. Ein großer Teil dieser jetzt unter britischer Hoheit stehenden Erdbröcklein ist unbewohnt. Aber die größeren hat die Gewinnsucht der Weißen, die sich der Hände der Eingeborenen bemächtigte, in Gärten gewandelt, die wie eine einzige, seltene und duftende Orchidee der Ur wälder Südamerikas aus des Meeres blauem Schöße steigen. Der weiße Gischt der See spritzt an diesen Klippen hoch empor und erinnert ewig an die furchtbaren Hurrikanes oder Wirbelstürme, die von Zeit zu Zeit die mit Zuckerrohrblättern gedeckten Bam bushütten der kaffeebraunen Gesellen ein fach dn das Meer wehen. Auch wir auf dem Dampfer hatten mit widrigen Winden zu kämpfen und kamen infolgedessen tief in der Nacht nicht in Suva, sondern auf einer ganz kleinen Insel an. Ich wähnte mich in einem überheizten Palmenhaus. Wie eine Glaskuppel lag der Sternenhimmel über der immergrünen Vegetation. Er war besät mit Millionen von Sternen, die tief auf diese wundersame Erde hinabgestiegen zu .sein schienen. Durch abertausend Kokospalmen, die diesen Strand säumten, brach der silberne Schimmer des Mondes, der der Tropen nacht das Märchenantlitz einer unwirk lichen Zauberwelt lieh. Eine Stadt sah ich nicht. Keine Straßen und keine Häuser I Nur ungezählte, aus Bambusstangen gefügte Hütten, deren mit Zuckerrohrblättern gedeckte Dächer auf den schwarzen Stämmen der Baumfarren ruhten. Zitronen, Orangen und Ananas leuchteten gelb und goldig aus dunklem Gebüsche. Das Eiland war trotz der vorgerückten Stunde keineswegs tot. Denn der Insu laner lebt hier in der Nacht. Mit Harpune und Fackel zieht er auf den Fang des Hais und der Riesenschild kröte aus. Nur notdürftig mit dem Lendenschurz bekleidet, hocken dann Männlein und Weiblein am Strande in froher Erwartung des saftigen Bratens, den ihnen das Meer beschert. Es war nicht möglich, hier ein anstän diges Unterkommen zu finden, und so faßten wir den Entschluß, uns mit der Schiffskabine zufrieden zu geben und die