DER STAATSANWALT hat die Beschlagnahme der Hefte II und III der modernen Revue „Kokain“ veranlaßt und gegen die in Frage kommenden Autoren, sowie gegen Dr. Stefan Eggeler, Dr. Viktor Koch und gegen mich die Anklage wegen Verletzung der öffendichen Sittlichkeit erhoben. Überdies wirft mir der Staatsanwalt vor, ich hätte durch Publizierung einer Erzählung über lesbische Liebe „unsittliche und durch die Ge setze verbotene Handlungen zu rechtfertigen und anzupreisen versucht”. Ich, als redaktioneller Leiter dieses Blattes, habe nicht die Absicht, mich an dieser Stelle in eine Kontroverse darüber einzulassen, in wieweit diese Konfiskation gesetzlich begründet ist, dies, bei verstän diger Würdigung des literarischen, künstlerischen und kulturellen Wertes dieser Zeitschrift. Ich erwarte, daß mir vor dem Forum des Schwurgerichtes Gelegenheit geboten sein wird zu beweisen, daß das Sinnesleben des Menschen nicht aufhört, wenn es verschwiegen wird und daß neben der Wissenschaft der Künsder dazu berufen ist, über das Triebleben zu sprechen und zu schreiben; das Menschensatzungen und Wahrheiten sich nicht einfach wegblasen lassen, daß eine Kultur sich unbekümmert auswirkt und daß eine Literaturepoche sich trotz Vormundschaft des Staatsanwaltes durch tausend Ventile Bahn bricht. Daß die beschlagnahmten „Aufsätze”, wie sie der Staatsanwalt nennt, künstlerische Produktionen sind, steht außer allem Zweifel; viele, viele Autoritäten haben dies in unzweideutiger Weise bestätigt. Wenn audi manche Stellen nicht in gelehrtem Jargon, sondern in naturalistischer Form ausgedrückt sind, so spricht dies einzig für das hochqualifizierte Können des Autors, nicht aber für dessen unsittliches Wollen, sowie es überhaupt der ganzen Revue „Kokain” der tenden ziösen Richtung fehlt, sie also nicht über Erotik spricht, um dieser- willen, sondern des menschlichen Trieblebens, das meines Wissens schon vor der Zeitschrift „Kokain” bestanden hat, zum Ausgangs punkt ihrer Betrachtungen macht, von der Schopenhauerschen Erwä-