Erich Effler Nur eine Nacht. EIJVK' JVACHT SKIZZE VON ERICH EFFLER Ich sitze an meinem Schreibtisch und sinne. Der erwachende Frühling macht mich arbeitsunlustig. Mir fällt nichts ein. Ich blicke traumverloren in die Sonne, deren Strahlen von Tag zu Tag mehr wärmen. Ich fühle mich wohl in dieser Sonne. Durch das ge öffnete Fenster dringt frischer Erdgeruch ins Zimmer — jener Geruch, von dem ich be haupte, er reize die Sinne auf und erwecke Verlangen und Sehnsucht. Ein Vögelchen jubiliert. . . irgendwo spielt jemand Klavier ... spielende Kinder lärmen auf der Straße .. . Und ich lasse meine Ge danken wandern. Sie wandern zehn Jahre zurück. Was sind zehn Jahre? — Eine ganz, ganz kurze Zeitspanne für die Welt — eine Unendlichkeit oft für den Einzelnen. Und plötzlich verdichten sich die Er innerungen des Jahres, nehmen eine be stimmte Gestalt an. „Da bist du ja wieder, kleine Lo,“ denke ich gerade, da lacht mich auch schon das goldige Geschöpf mit seinen unergründlichen Grauaugen an und öffnet den vollen, ein wenig sinnlichen Mund. „Tag, Schreiberlein!" lacht es. „Denkst du noch alleweil mein?" „Wie sollte ich dich, geliebtes Wesen, vergessen, das mir Glück brachte und die Unruhe ließ! — Weißt du noch? ... Aber komm, schau — setz dich ein bissel her zu mir, wir wollen plauschen mitsammen! — Weißt du noch, wie wir uns kennenlernten? Wo war’s doch gleich? Richtig — im D-Zug nach Goslar war es. Du warst ein lieber, stummer Reisekamerad. Im Netz über deinem blonden Wuschelkopf lag deine Laute. Also ein Bruder Lustig oder eine Schwester Froh sinn dachte ich gleich, und überlegte wie ein Schuljunge, wie ein Gespräch mit dir in Gang zu bringen wäre. Dein Hunger wurde mein Bundesgenosse; ich half dir dein Gepäck herunternehmen und dann fingen wir an, uns zu unterhalten. Du warst lustig, aber doch nicht so seicht, so oberflächlich, wie die meisten deiner Geschlechtsgenossinnen — du 39