1. Joseph-Renaud DasHiMkEÜOE (/EsPE/Vsr VON J. JOSEPH-RENAUD Deutsch von E, GOLDENBERG Ich wohnte damals auf dem Gipfel von Montmartre, in der rue des Saules. Denn meine bakteriologischen Studien erfor derten ein ziemlich geräumiges Lokal und meine Mittel einen mäßigen Zins. Für fünfzehnhundert Franken jährlich be wohnte ich eine große vermoderte Baracke und ich verbrachte dort eine der glück lichsten Perioden meines Lebens! Was für eine prächtige Arbeit das war! . . . Dank der kleinen Erbschaft von meinen Eltern war ich nicht auf die Patienten jagd angewiesen. Aber immerhin hatte ich einige Kranke zur Behandlung . . . Das Viertel entzückte mich. Der Hügel war damals noch eine erquickend pro- vinzlerische Vorstadt; das Sacre-Coeur begann kaum aus einem Gewirr ungeheu rer Balken zu erstehen. In den gewun denen Gäßchen wucherte das Gras auf dem Pflaster. Gärten, Grundstücke trenn ten die niedrigen kleinstädtischen Häus chen von einander. Blaue, gelbe rote Papierdrachen stiegen mit den langen Schwänzen schräg gegen Himmel. Geflügel glucksje hinter jeder Mauer. Beim Vor übergehen drang aus Ställen der gesunde warme Geruch der Streu . . . Abends war das Dunkel merkwürdig unheimlich auf diesem verlassenen Gipfel, wo kaum einige Petroleumlämpchen hier und da flacker ten . . . Das hat sich alles sehr geändert! Ich mußte kürzlich da hinaufsteigen und erkannte die großen Straßen gar nicht mehr, die erweitert, reguliert zwischen hohen Zinshäusern laufen . . . Wo ist mein malerischer Montmartre von damals ge blieben? Eines Sonntags nachmittags saß ich rauchend und lesend da, als es klingelte. Meine Aufwartefrau führte einen Kammer diener herein, dessen Herrn ich bei einem Typhus behandelt hatte und den ich ge rettet geglaubt, als er plötzlich an Darm blutung starb. Ich hatte diesen Burschen seither zweimal als Aushilfsdiener ver wendet, wenn ich Kollegen bewirtete und wußte, daß der stämmige Mensch aus dem Franche-Comte gebürtig war. „Guten Tag, Felix . . . Was gibt es?“ „Ich möchte gern . . . eine Unterredung mit dem Herrn Doktor haben.“ Ich schickte die Aufwartefrau hinaus. „Ich komme zum Herrn Doktor, weil ich weiß, daß er nicht wie die anderen Arzte ist. . .“, sagte er mit geheimnisvoller und unruhiger Miene. „Und weil der Herr Doktor sich mit anderen Wissenschaften befaßt und Entdeckungen sucht. . . Näm lich; bei uns gehen ungewöhnliche Dinge vor . . .“ „Sind Sie immer noch bei . Frau Mail- lard bedienstet?“ „Ja, ganz wie zu Lebzeiten von Herrn Maillard . . . Die gnädige Frau hätte mich wohl entbehren können, aber da der Gärtner nicht im Hause schläft, muß doch ein Mann da sein ... In diesem Viertel! . .. Und dann ist die gnädige Frau krank . ., herzleidend . . . Aber sie läßt einen anderen Arzt kommen, nicht den Herrn Doktor, weil sie sagt, daß Sie sie zu sehr an den Tod ihres Mannes erinnern . . .“ Der Verstorbene, ein ehemaliger Börsea- ner, dem man das linke Bein amputiert hatte, bewohnte eine luxuriöse Villa, die die Laune eines Malers auf dem Gipfel von Montmartre hatte erstehen lassen, inmitten eines großen Grundstückes, das in einen kleinen Park umgewandelt und mit hohen Mauern abgegrenzt worden war. Der Maler hatte entweder aus Über druß oder wegen Geldmangels das Ganze Herrn Maillard zu einem sehr geringen Preis überlassen. „Und was für außergewöhnliche Dinge betreffen Ihre Anspielungen? . . .“