DIE EPISTEL AN HOLL MANN Im Februar 1903 bringen die „Grenzboten“ den zur Veröffentlichung bestimmten Brief des Kaisers an den Admiral Hollmann. DIE LETZTE KARNEVALSWOCHE HAT UNS EIN Schauspiel beschert, dessen Schilderung nur einem Swift oder Laboulaye völlig gelingen könnte; Stoff zu stärkerer Satire war selbst in den Ländern der Lilliputaner und Flie genschnäpper, den berühmtesten Fabelprovinzen, niemals zu finden. Der Deutsche Kaiser, der im Reich höchster Kriegsherr und in Preußen Summus Episcopus ist, hat an Herrn Friedrich Hollmann, Admiral, Mitglied des Vor standes der Deutschen Orient-Gesellschaft, Vorsitzenden des Aufsichtsrates der Allgemeinen Elektrizitäts-Gesell schaft, einen Brief geschrieben, einen langen Brief über das Modethema Babel und Bibel. Dieser Brief (richtiger: der in Briefform gekleidete Artikel) wendet sich gegen den Professor Delitzsch, dessen persönliche Anschauungen schroff und spöttisch abgelehnt werden; er genügt, mit seinen disparaten Erinnerungen an Harnack, Dryander und Chamberlain, aber auch dem Anspruch der Strenggläubigen beider Bekenntnisse nicht und muß fromme Juden durch ein Hohnwort über den „Nimbus des auserwählten Volkes“ kränken. Zu erwarten war also, der Artikel werde, je nach dem Standpunkt des Betrachters, kritisiert und, wie fast alle Dilettantenversuche, über Glaubensnöte sich mit Kompro missen hinwegzuhelfen, mehr getadelt als gelobt werden. Als Friedrich Wilhelm der Vierte, dessen Drang, die Reli gion „weiterzubilden“, nicht geringer war als der seines Großneffen, in einer von Radowitz ausgearbeiteten Denk schrift den Plan enthüllte, auf Zions Höhe die drei großen Kirchen Europas durch drei von einer internationalen Schutztruppe bewachte Residenten vertreten zu lassen, schüttelten nicht nur Nesselrode und Metternich, sondern auch deutsche Protestanten die Köpfe und die Liberalen höhnten die „diplomatische Romantik“ des Herrschers. Nicht besser erging es dem König, als er später Gewissens-